09.04.2012 Zivilrecht

OGH: Antrag auf Obsorgezuteilung nach § 177a Abs 2 ABGB

Die Voraussetzungen des § 176 ABGB für die Entziehung der Obsorge eines Elternteils müssen für eine - mit einem Antrag nach § 177a Abs 2 ABGB zwangsläufig verbundene - Entziehung der Obsorge eines Elternteils nicht vorliegen


Schlagworte: Familienrecht, Antrag auf Obsorgezuteilung, Kindeswohl
Gesetze:

§ 177a Abs 2 ABG, § 144 ABGB, § 176 ABGB

GZ 3 Ob 27/12k, 14.03.2012

 

OGH: Sind beide Eltern nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohls einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen (§ 177a Abs 2 ABGB). Eine Aufrechterhaltung der Obsorge beider Eltern (auch nur in einem Teilbereich) ist gegen den Willen eines Elternteils ausgeschlossen. Ein auf die Aufhebung dieser Obsorge gerichteter Antrag eines Elternteils bedarf daher keiner Begründung; es genügt der durch die Antragstellung zum Ausdruck gebrachte Wegfall des Willens eines Elternteils zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge. Die Entscheidung, welcher Elternteil mit der alleinigen Obsorge zu betrauen ist, hängt allein vom Kindeswohl ab. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen des § 176 ABGB für die Entziehung der Obsorge eines Elternteils müssen für eine - mit einem Antrag nach § 177a Abs 2 ABGB zwangsläufig verbundene - Entziehung der Obsorge eines Elternteils daher jedenfalls nicht vorliegen. Es ist daher ohne Relevanz, ob die Voraussetzungen für die Entziehung der Obsorge des Vaters (hätte dieser die alleinige Obsorge) vorliegen, noch ist ein Vergleich des Kindeswohls bei gemeinsamer Obsorge und bei Obsorge nur durch einen Elternteil anzustellen. Die Zuteilung der alleinigen Obsorge an einen Elternteil ist hier vielmehr zwingend. Die Entscheidung hat danach zu erfolgen, wessen alleinige Obsorge eher dem Kindeswohl entspricht.

 

Die vom Revisionsrekurswerber ins Treffen geführten Entscheidungen des EGMR vom 3. Dezember 2009 (Zaunegger gegen Deutschland, ÖJZ 2010/2) und vom 3. Februar 2011 (Sporer gegen Österreich, NL 2011, 35) betreffen einen anderen Sachverhalt, zumal es dort um die Obsorge für außerehelich geborene Kinder und das Fehlen der gesetzlichen Möglichkeit einer gemeinsamen Obsorge der Eltern ging. Im vorliegenden Fall bestand eine Regelung über die gemeinsame Obsorge, diese scheiterte aber.

 

Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend, wobei nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalls, der in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde.