09.04.2012 Verfahrensrecht

OGH: Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gem § 31 IO

Da den Anfechtungsgegnern typischerweise unterschiedliche Auskunftsmittel zur Verfügung stehen, gewichtet die Rsp (auch) nach der Stellung des Gläubigers, wobei va von Banken, hier wiederum va von der Hausbank eine strenge Analyse der finanziellen Verhältnisse des Schuldners verlangt wird


Schlagworte: Insolvenzrecht, Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit, Auskunftsmittel, Stellung des Gläubigers, Hausbank, Obliegenheit des Gläubigers zu (weiteren) Nachforschungen
Gesetze:

§ 31 IO

GZ 3 Ob 33/12t, 14.03.2012

 

OGH: Die Beurteilung der Frage, welche Nachforschungen ein Gläubiger im Einzelnen anzustellen hat und ob fahrlässiges Verhalten iSd § 31 Abs 1 Z 2 IO vorliegt, stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage gem § 502 Abs 1 ZPO dar.

 

Der klagende Masseverwalter stützt die fahrlässige Unkenntnis der beklagten Partei von der Zahlungsunfähigkeit auf die Veröffentlichung der Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags am 13. September 2010 (samt dem Hinweis, dass der Schuldner zahlungsunfähig sei).

 

Tatsächlich kann die Veröffentlichung einer Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags nur ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit bilden.

 

Ob dem Anfechtungsgegner fahrlässige Unkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit zur Last fällt, ist - bezogen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung - nach den zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, nach der Zumutbarkeit ihrer Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung zu beurteilen. Da den Anfechtungsgegnern typischerweise unterschiedliche Auskunftsmittel zur Verfügung stehen, gewichtet die Rsp (auch) nach der Stellung des Gläubigers, wobei va von Banken, hier wiederum va von der Hausbank eine strenge Analyse der finanziellen Verhältnisse des Schuldners verlangt wird. Generell wird an die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger ein strengerer Maßstab angelegt, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen (RIS-Justiz RS0064682 [T12]: Möglichkeit der Prüfung durch den Sozialversicherungsträger).

 

LuRsp unterscheiden zwischen Umständen, aus denen die Zahlungsunfähigkeit direkt abzuleiten ist, und Indizien, die zu einer Obliegenheit des Gläubigers zu (weiteren) Nachforschungen führen.

 

Die Einschätzung des Berufungsgerichts, es lägen keine ausreichenden Umstände vor, die einen direkten Rückschluss auf die bestehende Zahlungsunfähigkeit im November 2010 zuließen, ist durchaus vertretbar und bewegt sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp.

 

Dies gilt auch für die Frage, ob der beklagten Partei weitere Nachforschungen oblegen wären. Bei einem „außenstehenden“ Gläubiger (also nicht der Hausbank) ist nach der Rsp hier Zurückhaltung angebracht, weil diesem in der Regel nur seine eigenen Eintreibungsschritte bekannt sind und weitere Nachforschungen üblicherweise mangels geeigneter Informationsmöglichkeiten wenig Aussicht auf Erfolg haben. Dies gilt auch für die hier beklagte Partei, die im privatwirtschaftlichen Bereich nicht über Informationsmöglichkeiten wie die Hausbank (auf vertraglicher Grundlage) oder wie Abgabenbehörden und Sozialversicherungsträger (auf gesetzlicher Grundlage) verfügt. Eine generelle Auskunftspflicht des Sachwalters über die Vermögensverhältnisse des Betroffenen scheitert an dessen Verpflichtung zur Geheimhaltung.

 

Eine einzelne - im Übrigen nicht näher hinsichtlich Zeit und Forderungshöhe determinierte Gehaltsexekution - zieht für sich allein keine weiteren Nachforschungsobliegenheiten nach sich. Gleiches gilt für die bloße Angabe des Sachwalters über eine „Verschuldung“. Immerhin hat er gegenüber dem Fördergeber auch die durchaus nicht besorgniserregende Einkommenssituation des Betroffenen offengelegt.

 

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unwirksamkeit einer Zahlung an den Schuldner nach Insolvenzeröffnung besteht dann, wenn demjenigen, der die Zahlung leistete, zum Zeitpunkt der Zahlung die Tatsache der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Zahlungsempfängers ohne sein Verschulden unbekannt war (§ 3 Abs 2 IO). Bekanntlich stehen die Daten über Insolvenzeröffnungen in einer online zugänglichen Datenbank zur Verfügung, während es keine Datenbanken über die Zahlungsunfähigkeit gibt. § 31 Abs 1 Z 2 IO stellt als Anfechtungsvoraussetzung auf die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab, während für § 3 Abs 2 IO die fahrlässige Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis von der Insolvenzeröffnung maßgeblich ist. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden Fälle nicht miteinander in einer eine Vergleichbarkeit nahe legenden Beziehung stehen.