OGH: Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens iZm Anlageberaterhaftung, wenn der Anleger das Erworbene noch hat?
Dem Anleger steht die Möglichkeit einer Leistungsklage offen („Naturalrestitution“ durch Zahlung gegen Übertragung des Finanzprodukts), sodass ihm das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an einem Feststellungsurteil fehlt
§ 228 ZPO, §§ 1295 ff ABGB, § 1323 ABGB
GZ 8 Ob 129/10v, 20.12.2011
OGH: Jede Feststellungsklage erfordert nach § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts und eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers. Das Vorliegen des rechtlichen Interesses ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Der OGH bejaht in stRsp ein Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO schon dann, wenn nur die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte.
Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung wird aber von der Rsp dann verneint, wenn dem Kläger entweder ein einfacherer Weg zur Erreichung desselben Ziels zur Verfügung steht, oder wenn er die Möglichkeit hat, weitergehenden Rechtsschutz zu erhalten (Subsidiarität der Feststellungsklage). Das Feststellungsinteresse fehlt va dann, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt, wobei auf dieses Kriterium des gänzlichen Ausschöpfens des klägerischen Ziels durch die bereits mögliche Leistungsklage besonderes Augenmerk zu legen ist.
Dennoch wurde aus Anlass einer Klage wegen fehlerhafter Anlageberatung zu 9 Ob 53/03i mit der Begründung, vor Verkauf der Wertpapiere könne der Ersatzanspruch des Geschädigten noch nicht beziffert werden, die Erhebung eines Feststellungsbegehrens als zulässig erachtet. Auch in 8 Ob 123/05d ging der OGH davon aus, dass der Geschädigte - sofern er nicht Naturalrestitution begehre oder die Wertpapiere verkaufe - auf einen Feststellungsanspruch verwiesen sei, was wohl iSd Bejahung eines Wahlrechts des Geschädigten zu deuten ist.
Diese Rsp ist aber überholt: In weiterer Folge wurde nämlich vom OGH - dem Grundsatz der Subsidiarität des Feststellungsbegehrens entsprechend - die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens des Anlegers mit der Begründung verneint, dass ihm die Möglichkeit einer Leistungsklage offenstehe („Naturalrestitution“ durch Zahlung gegen Übertragung des Finanzprodukts), sodass ihm das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an einem Feststellungsurteil fehle ((6 Ob 103/08b; 9 Ob 85/09d; 6 Ob 9/11h). Dieser Rechtsauffassung, die der Rsp zu § 228 ZPO entspricht und auch verhindert, dass der geschädigte Anleger durch die Wahl des für ihn günstigsten Verkaufszeitpunkts auf dem Rücken des Schädigers spekuliert, schließt sich auch der erkennende Senat an.
Wie die Beklagte in ihrer Revision zutreffend ausführt, hat daher die Klägerin mit ihrem Klagehauptbegehren ein zulässiges Leistungsbegehren erhoben, das - seine Berechtigung unterstellt - das klägerische Rechtsschutzziel zur Gänze erreicht und die begehrte Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt hätte. Weitere Schäden, insbesondere solche, die noch nicht bezifferbar sind und daher ein Feststellungsbegehren rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht und in ihrem Vorbringen mit keinem Wort behauptet. Ihrem Feststellungsbegehren mangelt es daher an dem nach § 228 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse.
Dass das auf Leistung gerichtete Klagehauptbegehren hier in erster Instanz abgewiesen wurde und diese Abweisung in Rechtskraft erwuchs, ändert an diesem Ergebnis nichts. Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Zu diesem Zeitpunkt wäre das Feststellungsbegehren der Klägerin wegen des Fehlens des rechtlichen Interesses abzuweisen gewesen. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, die Abweisung des auf Leistung gerichteten Haupt- und ersten Eventualbegehrens zu bekämpfen. Durch die Unterlassung der Bekämpfung dieser Entscheidung vermag sie das fehlende Feststellungsinteresse nicht zu ersetzen.
Das allein noch offene Feststellungsbegehren der Klägerin besteht daher schon mangels Feststellungsinteresses nicht zu Recht. Wie gezeigt, ist das Fehlen des Feststellungsinteresses in jeder Lage des Verfahrens, erforderlichenfalls auch von Amts wegen, aufzugreifen. Dass der entsprechende Einwand von der Beklagten erstmals im Revisionsverfahren erhoben wurde, ist daher nicht entscheidend.