OGH: Zum Rücktrittsrecht nach § 5 Abs 1 KMG (hier iZm Erwerb von Secondhand-Versicherungspolizzen)
Das Rücktrittsrecht nach § 5 KMG kann nur gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner geltend gemacht werden
§ 5 KMG
GZ 4 Ob 184/11d, 27.03.2012
OGH: Nach § 5 Abs 1 KMG können Anleger, die - wie hier der Kläger - Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, vom Vertrag zurücktreten, wenn ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorhergehende Veröffentlichung eines Prospekts erfolgte. Das Rücktrittsrecht erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem der Prospekt veröffentlicht wurde (§ 5 Abs 4 KMG). Unstrittig ist, dass im vorliegenden Fall kein Prospekt erstellt worden war.
Das Rücktrittsrecht nach § 5 KMG kann nur gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner geltend gemacht werden. Daher ist zunächst zu klären, ob der Kläger das Anlageprodukt von der Erstbeklagten oder - allenfalls über deren Vermittlung - von einem anderen Unternehmen (etwa von deren kanadischer Muttergesellschaft) erworben hat.
Bei diesem Produkt handelt es sich nicht um ein Bezugsrecht, das aufgrund eines bestimmten Versicherungsvertrags gegenüber einem bestimmten Versicherungsunternehmen besteht. Vielmehr sollte nach dem „Kaufauftrag“ und den weiteren Unterlagen ein Anspruch gegen einen Treuhänder begründet werden, dessen Rechtsstellung ebenso unklar ist wie sein Verhältnis zur kanadischen Muttergesellschaft der Erstbeklagten. Zudem treffen auch diese Gesellschaft Pflichten gegenüber dem Anleger. Denn sie hat dafür zu sorgen, dass der Treuhänder die Prämien auch dann weiter zahlen kann, wenn die versicherte Person mehr als 24 Monate länger lebt als prognostiziert, und sie gewährt dem Anleger für diesen Fall die Möglichkeit, ihr die Bezugsrechte zum (seinerzeitigen) „Kaufpreis“ (abzüglich Agio) zu verkaufen. Die Anlage ist daher ein komplexes Produkt, in dessen Rahmen dem Anleger Rechte gegen (wohl) zwei kanadische Rechtsträger eingeräumt werden.
Gegenstand eines Kaufvertrags können auch Rechte sein. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Verkäufer schon bei Vertragsabschluss über diese Rechte verfügt. Denn ein Kaufvertrag ist auch wirksam, wenn der Kaufgegenstand einem anderen gehört oder - wie etwa eine noch zu emittierende Aktie - noch gar nicht existiert. Die Pflicht des Verkäufers besteht auch in diesem Fall darin, dem Käufer die zugesagte Rechtsposition - bei körperlichen Sachen also das Eigentum - am Kaufgegenstand zu verschaffen. Beim Kauf von Rechten hat der Verkäufer daher zu bewirken, dass der Käufer zum Berechtigten wird.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn nach dem „Kaufantrag“, den die Erstbeklagte formuliert (§ 915 ABGB) und offenkundig angenommen hat, „verschafft“ sie
„dem Käufer das Recht auf Auszahlung der (anteiligen) Versicherungssumme aus solchen Policen, die den Kaufkriterien des § 5 sowie den in § 14 gemachten Angaben betreffend Kaufpreis, Programm und Laufzeit entsprechen, und verpflichtet sich, dem Käufer das unwiderrufliche (anteilige) Bezugsrecht einzuräumen.“
Daraus ergibt sich eindeutig die Pflicht der Erstbeklagten, dem Kläger jene Rechtsstellung zu verschaffen, die dem von ihr beworbenen Veranlagungsprodukt entspricht. Damit liegt im Verhältnis zwischen den Parteien ein Kaufvertrag vor. Ob die Erstbeklagte ihre Verpflichtung durch Erwerb der Rechte und Weiterübertragung an den Kläger oder durch eine von ihr veranlasste direkte Einräumung durch den oder die Schuldner erfüllt, ist - wie beim Streckengeschäft bei beweglichen Sachen - unerheblich. Ebenso kommt es nicht darauf an, auf wessen Konto der Kläger gezahlt hat: Denn fällt nach einem Rücktritt der Rechtsgrund der Zahlung weg, hat der Kläger selbst dann einen Rückforderungsanspruch gegen die Erstbeklagte, wenn er die Zahlung aufgrund einer von der Erstbeklagten erteilten Anweisung an deren kanadische Muttergesellschaft oder den Treuhänder geleistet haben sollte. Denn in diesem Fall läge ein Mangel im Deckungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten vor, der zu einem Kondiktionsanspruch des angewiesenen Klägers gegen die anweisende Erstbeklagte führte.