OGH: Amtshaftung iZm (unrichtiger) rechtlicher Beurteilung von Rechtsfragen
Ein Abweichen von einer klaren Rechtslage oder der stRsp des zuständigen Höchstgerichts, das nicht erkennen lässt, dass es auf einer sorgfältigen und bei geforderter Schriftlichkeit auch begründeten Überlegung unter Auseinandersetzung mit der hRsp beruht, wird idR als rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen sein
§ 1 AHG, §§ 1295 ff ABGB
GZ 1 Ob 30/12m, 23.03.2012
OGH: Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs tritt nur ein, wenn es auch schuldhaft ist (§ 1 Abs 1 AHG). Geht es um die (unrichtige) rechtliche Beurteilung von Rechtsfragen, ist ein Verschulden grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die beanstandete Entscheidung nicht auf einer nach den Umständen vertretbaren Rechtsanwendung beruhte. Dazu wird judiziert, dass ein Abweichen von einer klaren Rechtslage oder der stRsp des zuständigen Höchstgerichts, das nicht erkennen lässt, dass es auf einer sorgfältigen und bei geforderter Schriftlichkeit auch begründeten Überlegung unter Auseinandersetzung mit der hRsp beruht, idR als rechtswidrig und schuldhaft zu beurteilen sein wird. Es begründet aber noch keine Unvertretbarkeit und damit kein Verschulden, wenn ein Entscheidungsorgan deshalb eine von der höchstgerichtlichen Judikatur abweichende Auffassung vertritt, weil es meint, Argumente ins Treffen führen zu können, die stärker seien als jene des Höchstgerichts.
Ob die im Anlassverfahren getroffene Entscheidung auch richtig war, ist nicht Gegenstand der Prüfung im Amtshaftungsprozess.
Darüber hinaus ist die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Das gilt auch für die Beurteilung, ob ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder stRsp als unvertretbar anzusehen ist.