OGH: Deckungskonkurs iSd § 156 Abs 3 VersVG – zur Frage, ob ein Verdienstentgangsbegehren für die Vergangenheit einer Anspruchskürzung nach § 156 Abs 3 VersVG unterliegt
Bei der Aufteilung nach § 156 Abs 3 VersVG ist der Verdienstentgang als Rente im „technischen“ Sinn zu behandeln und zwar ohne Bedachtnahme auf die Fälligkeit sowohl bezüglich bereits geleisteter als auch noch zu leistender Beträge; dies gilt auch, wenn bisher fällige Beträge mit einem Kapitalbetrag begehrt werden
§ 156 VersVG, § 155 VersVG
GZ 2 Ob 227/11p, 08.03.2012
OGH: Gem § 155 Abs 1 VersVG kann der Versicherungsnehmer, wenn er einem Dritten zur Gewährung einer Rente verpflichtet ist und die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht, nur den verhältnismäßigen Teil der Rente verlangen. Nach § 156 Abs 3 VersVG hat der Versicherer, wenn mehrere Dritte vorhanden sind, deren Forderungen aus der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen, die Forderungen nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen.
Rente ist nach der Judikatur eine periodische Leistung, die weder Teilabtragung eines Kapitals (Raten) noch Nebenleistung zu einer Kapitalschuld (Zinsen) ist, neben der also eine Kapitalschuld überhaupt nicht besteht.
Reicht die Versicherungssumme nicht aus, könnte bei einer Rente der Fall eintreten, dass der Versicherer für die volle Rente solange Deckung gewähren müsste, bis die Versicherungssumme erschöpft ist. Der Gesetzgeber hat aber in § 155 Abs 1 VersVG eine andere Regelung getroffen, um die Versorgung des geschädigten Dritten zu gewährleisten: Es ist versicherungsmathematisch eine Rente festzustellen, deren Kapitalwert der in Betracht kommenden Versicherungssumme entspricht. Diese herabgesetzte Rente ist auch dann zu leisten, wenn die Versicherungssumme erschöpft ist. Dadurch will das Gesetz verhindern, dass ein Fall eintritt, in dem für die Rente überhaupt keine versicherungsmäßige Deckung besteht. In diesem Fall darf die Rente also in betraglicher, nicht aber in zeitlicher Hinsicht gekürzt werden. Durch dieses Verfahren wird gewährleistet, dass der Dritte die ihm zuerkannte Rente in jedem Fall wenigstens teilweise erhält, und es wird vermieden, dass der sorglose Versicherungsnehmer, der keine Rücklagen bildet, finanziell ruiniert wird. Das Kürzungsverfahren nach § 155 Abs 1 VersVG stellt sich im Hinblick auf die langfristig wirkende Berechnung notwendig als im gewissen Sinne spekulativ dar. So muss sich der schadenersatzpflichtige Versicherungsnehmer an der Rentenzahlung beteiligen, obwohl der Rentenberechtigte früher sterben kann und die Deckungssumme dann noch nicht erschöpft ist. Andererseits hat der Versicherer anteilig weiter zu zahlen, wenn der Anspruchsberechtigte länger lebt als berechnet und die Versicherungssumme ausgeschöpft ist.
Lediglich iZm der Präklusion des Einwands des Deckungskonkurses wurde in 2 Ob 84/04y ausgeführt, dass es zu einer solchen Präklusion nur dann kommen könne, wenn Gegenstand des Vorverfahrens überhaupt ein Rentenbegehren gewesen sei. War dagegen Gegenstand des Begehrens ein genau bestimmter Zeitraum, stehe dies der Erhebung des Präklusionseinwands im späteren Verfahren mit anderem Streitgegenstand nicht entgegen und sei auch ein konkludenter Verzicht auf den Einwand des Deckungskonkurses nicht anzunehmen.
Der OGH hat bereits mehrfach - wenn auch nicht in neuester Zeit - ausgesprochen, dass bei der Aufteilung nach § 156 Abs 3 VersVG der Verdienstentgang als Rente im „technischen“ Sinn zu behandeln ist und zwar ohne Bedachtnahme auf die Fälligkeit sowohl bezüglich bereits geleisteter als auch noch zu leistender Beträge. Dies gilt auch, wenn bisher fällige Beträge mit einem Kapitalbetrag begehrt werden.
Mögen diesen Entscheidungen auch Fälle zugrunde gelegen sein, in denen neben kapitalisiertem Verdienstentgang für die Vergangenheit jeweils eine Verdienstentgangsrente für die Zukunft begehrt wurde, während hier nur ein Kapitalbetrag für die Vergangenheit geltend gemacht wird, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb dies insoweit einen Unterschied in der Beurteilung machen sollte.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zum konkreten Barwert der Rente und dessen Verhältnis zur Versicherungssumme und den sonstigen bestehenden und zu erwartenden Forderungen sowie zum allenfalls sich daraus ergebenden Kürzungsbetrag des vorliegenden Verdienstentgangsbegehrens zu treffen haben.