VwGH: Amtsbeschwerde gem § 87b AWG
Dass sich die Befugnis zur Erhebung einer Amtsbeschwerde nur auf die Fälle beziehen soll, in denen der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auch konkret als Behörde erster Instanz eingeschritten ist oder einschreiten kann, kann der Bestimmung des § 87b Abs 1 AWG nicht entnommen werden
§ 87b AWG
GZ 2010/07/0150, 22.03.2012
VwGH: Dass sich die Befugnis zur Erhebung einer Amtsbeschwerde nur auf die Fälle beziehen soll, in denen der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auch konkret als Behörde erster Instanz eingeschritten ist oder einschreiten kann - wie der Mitbeteiligte meint - kann der Bestimmung des § 87b Abs 1 AWG nicht entnommen werden. Dort ist ausdrücklich davon die Rede, dass der Bundesminister "in diesen Angelegenheiten" berechtigt sei, "gegen Bescheide der UVS im Verwaltungsstrafverfahren" Amtsbeschwerde zu erheben.
Der Mitbeteiligte weist richtig darauf hin, dass die im Verwaltungsstrafverfahren zuständige Erstbehörde die Bezirksverwaltungsbehörde ist. Träfe die Interpretation des Mitbeteiligten zu, so wäre der Bundesminister in keinem einzigen Verwaltungsstrafverfahren amtsbeschwerdebefugt, weil ihm dort keine Zuständigkeit als Behörde erster Instanz zukommt.
Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, eine Norm geschaffen zu haben, die in ihrem Hauptanwendungsbereich (Bescheide der UVS in Verwaltungsstrafverfahren) gar nicht zur Anwendung kommen könnte. Auch die Materialien zeigen, dass die Bestimmung des § 87b AWG vor dem Hintergrund der in Art 50 der EG-VerbringungsV 2006 gründenden Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zu verstehen ist, effektive Vorschriften für Sanktionen gegen Verstöße gegen die EG-VerbringungsV 2006 vorzusehen und Maßnahmen zur Sicherstellung ihrer Anwendung zu treffen. Eine solche Maßnahme, die die Anwendung der Sanktionsbestimmungen (des § 79 AWG) und ihre bundesweit einheitliche Handhabung sicherstellen soll, stellt die Amtsbeschwerde durch den Bundesminister dar.
§ 87b Abs 1 AWG unterscheidet auch nicht zwischen Formal- und Sachentscheidungen der UVS in Verwaltungsstrafverfahren. Dem Bundesminister kommt daher Beschwerdebefugnis auch gegen Bescheide der UVS zu, mit denen ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.
§ 87b AWG trat mit 10. April 2008 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Bundesminister jedenfalls alle nach diesem Zeitpunkt ergangenen Bescheide der UVS, somit auch den hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28. Juni 2010, in Beschwerde ziehen. Auf den Tatzeitpunkt kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Der Bundesminister ist daher zur Erhebung einer Amtsbeschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auf der Rechtsgrundlage des § 87b Abs 1 AWG befugt.
Die Beschwerdebefugnis des Bundesministers nach § 87b Abs 1 AWG ist ein Fall der sog Amtsbeschwerde nach Art 131 Abs 2 B-VG, daher findet nach § 47 Abs 4 VwGG für ihn kein Aufwandersatz statt. Der Kostenantrag war zurückzuweisen.