28.05.2012 Zivilrecht

OGH: Unterhalt für die Vergangenheit – zur Mahnung iSv § 72 EheG

Bei einer am Sinn und Zweck der Regelung des § 72 EheG orientierten Auslegung kann der Unterhalt geschiedener Ehegatten bereits ab dem Zeitpunkt gefordert werden, zu dem der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen berechtigterweise zur Auskunftserteilung zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches aufgefordert hat; diese Aufforderung zur Auskunftserteilung kommt in ihren Wirkungen dem durch eine Mahnung eintretenden Verzug gleich


Schlagworte: Familienrecht, Scheidung, Unterhalt für die Vergangenheit, Mahnung, Verzug
Gesetze:

§ 72 EheG

GZ 7 Ob 179/11s, 27.02.2012

 

OGH: Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung erst von der Zeit an fordern, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist (§ 72 EheG). Der Verzug des Unterhaltspflichtigen ist Anspruchsvoraussetzung für den Unterhalt für die Vergangenheit. Während beim Kindesunterhalt und beim Ehegattenunterhalt bei aufrechter Ehe eine Mahnung (das In-den-Verzug-Setzen) wegen der besonderen familienrechtlichen Nahebeziehung entbehrlich ist, trifft dies auf den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Wegfall der ehelichen Fürsorgepflicht nicht mehr zu.

 

Die Ehe der Streitteile wurde erst am 15. 1. 2009 aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden. Die Unterhaltsklage brachte die Klägerin am 16. 12. 2008 ein. Der Unterhaltsrückstand vom Zeitraum 1. 1. 2006 bis 31. 12. 2008 wurde also während aufrechter Ehe für einen Zeitraum während aufrechter Ehe geltend gemacht. § 72 EheG ist hier nicht anzuwenden. Hinsichtlich der Klagsausdehnung den Unterhalt ab 1. 1. 2009 betreffend ist darauf zu verweisen, dass bei einer am Sinn und Zweck der Regelung des § 72 EheG orientierten Auslegung der geschiedene Ehegatte den Unterhalt bereits ab dem Zeitpunkt fordern kann, in dem der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen berechtigterweise zur Auskunftserteilung zum Zweck der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert hat. Diese Aufforderung kommt in ihrer Wirkung dem durch die Mahnung eintretenden Verzug gleich. Der Unterhaltsschuldner muss von diesem Zeitpunkt an in gleicher Weise wie bei einer Mahnung damit rechnen, dass er auf Unterhalt in Anspruch genommen wird. Der Beklagte war also bereits durch die Klagsführung und das Fordern der Klägerin nach Unterhalt auch für den Zeitraum bis zur Klagsausdehnung in Kenntnis der Unterhaltsforderungen der Klägerin, die sich an seinem tatsächlichen Einkommen orientieren. § 72 EheG steht daher den geltend gemachten Unterhaltsforderungen nicht entgegen.