28.05.2012 Zivilrecht

OGH: Unterhaltsbemessung und fiktiver Mietwert

Hat der Unterhaltsberechtigte nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so bedarf er regelmäßig nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken; auch wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnbedarf in einer ihm selbst gehörenden Eigentumswohnung (Haus) deckt, so ist sein Wohnbedürfnis damit befriedigt; er bedarf in diesem Fall nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um sein vollständiges Unterhaltsbedürfnis zu decken


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, überlassene Wohnung, Naturalunterhalt, fiktiver Mietwert
Gesetze:

§ 94 ABGB, § 140 ABGB

GZ 7 Ob 179/11s, 27.02.2012

 

OGH: Nach der jüngeren Rsp des OGH ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten überlassenen Wohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen. Dies wird in der Literatur begrüßt. Die in der Entscheidung 2 Ob 224/08t geäußerte Ansicht, dass dies nur dann gelte, wenn der Unterhaltspflichtige (noch) Kreditrückzahlungen für den Erwerb der strittigen Wohnung leiste, nicht jedoch, wenn er nur das Eigentum bereit stelle, stieß auf Kritik, weil es bei der Anrechnung einer vom Unterhaltspflichtigen gewährten Wohnmöglichkeit nicht auf dessen Aufwand, sondern auf die deutlich bewirkte Ersparnis des Unterhaltsberechtigten ankomme. In seiner Entscheidung 2 Ob 246/09d hielt der 2. Senat iSe Vereinheitlichung der Unterhaltsbemessung die Kritik für berechtigt. Es ist daher der Judikatur, dass es regelmäßig nicht des gesamten grundsätzlich zustehenden Geldunterhalts bedarf, um den vollständigen Unterhalt des Unterhaltspflichtigen zu decken, wenn dieser nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen hat, zu folgen. Der fiktive Mietwert ist unter den die Wohnung nutzenden Personen in der Regel nach Köpfen aufzuteilen. Auch wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnbedarf in einer ihm selbst gehörenden Eigentumswohnung (Haus) deckt, so ist sein Wohnbedürfnis damit befriedigt. Er bedarf in diesem Fall nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um sein vollständiges Unterhaltsbedürfnis zu decken. Die Wohnkostenersparnis ist auch in diesem Fall zu berücksichtigen. Diese ist grundsätzlich nur im angemessenen Umfang anzurechnen; dem Unterhaltsberechtigten muss stets ein in Geld zu bemessender Unterhalt zukommen, weil er ja von der Wohnung allein nicht leben kann. Wo die Angemessenheitsgrenze liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Der für den rechtsvernichtenden Einwand behauptungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht vorgebracht, mit welcher Höhe der fiktive Mietwert anzusetzen ist. Das insofern noch unschlüssige Vorbringen muss mit ihm erörtert werden (§ 182a ZPO). Danach wird der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und das entsprechende Beweisverfahren abzuführen sein.

 

ISd zitierten Rsp mindert sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin um den auf sie entfallenden Anteil am fiktiven Mietwert, wenn sie für die Wohnung keine Kosten aufwenden muss.

 

Nicht fest steht weiters, ob die Eigentumswohnung der Klägerin ausbezahlt ist. Sollten Kreditraten für die Wohnung offen sein, wäre ab Juni 2008 (bis dahin bezahlte der Beklagte nach den Feststellungen die „Kosten für die Wohnung“) der fiktive Mietwert nicht mehr vom errechneten Unterhalt der Klägerin abzuziehen, weil sie ab diesem Zeitpunkt selbst die Kosten für die Wohnung getragen hätte. Sollte die Wohnung ausbezahlt sein, sind bei der Feststellung des fiktiven Mietwerts die von der Klägerin zu tragenden monatlichen Betriebskosten zu berücksichtigen. Weiters ist festzustellen, seit wann und warum der Beklagte den gemeinsamen Haushalt vor der Scheidung verlassen hat. Verlässt nämlich der unterhaltspflichtige Ehegatte bei aufrechter Ehe grundlos die Ehewohnung und bleibt der Unterhaltsberechtigte dort allein zurück, dann ist der Unterhaltspflichtige bei der Anrechnung von Naturalleistungen auf den Geldunterhaltsanspruch des anderen Ehegatten so zu behandeln, als wäre er in der Wohnung verblieben.