OGH: Unterlassungsexekution nach § 355 EO und Aufgabe einer Einflussmöglichkeit – Zulässigkeit weiterer Strafbeschlüsse?
Eine Grundstücksveräußerung kann nicht per se als eine - ein Verschulden begründende - freiwillige Aufgabe einer Einflussmöglichkeit angesehen werden; die Unterlassungsexekution nach § 355 EO hat zwar auch repressiven Strafzweck, primär aber Beugezweck; die Strafe wird für verschuldete Titelverstöße in der Vergangenheit verhängt (also zB für die Aufgabe der Einflussmöglichkeit)
§ 355 EO
GZ 3 Ob 240/11g, 18.01.2012
OGH: Bei der Unterlassungsexekution nach § 355 EO soll mit der Verhängung von Strafen ein titelkonformes Verhalten erzwungen werden. Anders als bei der Exekution nach § 354 EO stellt die einzelne Bestrafung zwar eine Ahndung des Verstoßes dar; die Willensbeugung erfolgt aber gerade dadurch, dass der Verpflichtete weiß, dass bei jedem Zuwiderhandeln eine Beugestrafe verhängt werden kann. Die Strafe soll also einerseits das geschuldete Verhalten im Zeitraum nach Verhängung der Strafe erzwingen, sie soll aber auch der gesetzlichen Strafdrohung Gewicht verschaffen und damit schon in dem vor der Verhängung liegenden Zeitraum das Zuwiderhandeln unterbinden. In diesem Sinn haben die Strafen auch repressiven Charakter.
Voraussetzung für die Verhängung von Strafen ist immer ein Verschulden des Verpflichteten an der Zuwiderhandlung. Dabei ist zu beachten, dass den Verpflichteten gegebenenfalls auch eine Handlungspflicht treffen kann, um künftige Verstöße zu verhindern.
Im vorliegenden Fall berufen sich die verpflichteten Parteien darauf, dass ab der Veräußerung der Grundstücke, von denen die Emissionen ausgehen, kein ihnen zuzurechnender Verstoß vorliegt, der eine neuerliche Strafverhängung rechtfertigt.
Die Einzelrechtsnachfolge auf Verpflichtetenseite ist nach der Exekutionsbewilligung eingetreten. Da § 234 ZPO auf diesen Fall nicht anzuwenden ist, kann ein Rechtsübergang im Exekutionsverfahren nach § 9 EO berücksichtigt werden, soweit er nicht der Natur des Exekutionsverfahrens widerspricht. Im vorliegenden Fall ist es allerdings nicht zu einem solchen - von § 9 EO geforderten - „Übergang“ des Anspruchs auf eine neue verpflichtete Partei gekommen; dieser würde eine Gesamtrechtsnachfolge oder eine privative Schuldübernahme voraussetzen.
In der Entscheidung 3 Ob 13/95 hat der OGH zu einer Unterlassungsverpflichtung mehrerer Personen ausgesprochen, dass in diesem Fall jede von ihnen verpflichtet ist, weitere Handlungen dieser Art zu verhindern; begibt sich ein Verpflichteter freiwillig der Möglichkeit, dies zu tun, muss er sich Zuwiderhandlungen gegen den Exekutionstitel auch dann zurechnen lassen, wenn er im konkreten Fall die Zuwiderhandlung rechtlich nicht mehr verhindern konnte, weil er sich der Einflussmöglichkeit begeben hat; sein - für die Verhängung einer Beugestrafe erforderliches - Verschulden liegt dann darin, dass er die für ihn zunächst gegebene Möglichkeit der Einflussnahme freiwillig aufgegeben hat. G. Kucsko hat zu der Entscheidung 3 Ob 13/95 kritisch angemerkt, dass sie zu einem sehr speziellen Einzelfall ergangen sei und nur vorsichtig verallgemeinert werden könne. Sei beispielsweise eine GmbH gemeinsam mit dem aktiv an einem Wettbewerbsverstoß beteiligten Geschäftsführer in Anspruch genommen worden und scheide dieser später gänzlich aus dem Unternehmen aus, werde man ihm kaum eine fortdauernde Haftung für weitere Wettbewerbsverstöße der GmbH, zu der er keinerlei Verbindung mehr habe, auferlegen können.
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die verpflichteten Parteien als (vormalige) Grundstückseigentümer bzw Fruchtgenussberechtigte zur titelmäßigen Unterlassung verpflichtet sind. Angesichts der Vermietung der Grundstücke an einen Fußballverein ab dem Jahr 1979 haben sie die Emissionen nie selbst herbeigeführt; vielmehr waren ihnen diese nur aufgrund ihrer dinglichen Position zuzurechnen; es lag auch an ihnen, auf der Grundlage der vertraglichen Beziehung zum mietenden Sportverein die Emissionen zu unterbinden. Mit der Veräußerung der Grundstücke, von denen die im Titel verbotenen Emissionen ausgehen, an einen Dritten mitsamt Überbindung des Mietvertrags (Hinweise darauf, dass die Veräußerung etwa in rechtsmissbräuchlicher Absicht im Hinblick auf die titulierte Unterlassungsverpflichtung geschehen ist, gibt es nicht) ist diese Möglichkeit für die verpflichteten Parteien ebenso weggefallen wie die Möglichkeit, auf die Nutzung und Gestaltung der Grundstücke Einfluss zu nehmen; es liegt nun allein am neuen Eigentümer, Vorkehrungen zur Verhinderung der Emissionen auf das Nachbargrundstück zu setzen. Eine Grundstücksveräußerung kann nicht per se als eine - ein Verschulden begründende - freiwillige Aufgabe einer Einflussmöglichkeit angesehen werden.
Selbst wenn man in der fehlenden Überbindung der Unterlassungsverpflichtung auf den Käufer ein Verschulden erblickte, könnte damit die Zulässigkeit weiterer Strafbeschlüsse nicht begründet werden:
Die Unterlassungsexekution nach § 355 EO hat zwar auch repressiven Strafzweck, primär aber Beugezweck. Die Strafe wird für verschuldete Titelverstöße in der Vergangenheit verhängt, das wäre also hier für die Aufgabe der Einflussmöglichkeit. Wegen dieses Sachverhalts kann in der Zukunft nicht nochmals und wiederholt ein nur mit dem Strafzweck begründeter Strafbeschluss erlassen werden. Die Unmöglichkeit titelgemäßen Verhaltens ab dem Jahr 2009 steht aufgrund des erstinstanzlichen Parteienvorbringens fest. Der Beugezweck von Strafen kann nicht mehr erreicht werden.
Die zu bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts steht im Ergebnis auch nicht im Widerspruch zur zitierten Vorentscheidung 3 Ob 13/95. Dort ging es erkennbar um einen einzigen Titelverstoß, den die verpflichtete Partei deshalb zu vertreten hatte, weil sie sich aufgrund gesellschaftsrechtlicher Vorgänge ihrer Einflussmöglichkeiten auf einen Dritten begeben hatte. Dass wegen dessen Verhaltens weitere Strafbeschlüsse zulässig sein könnten war nicht Entscheidungsgegenstand. Die Bejahung der Zulässigkeit der Exekutionsführung beruhte schon auf dem repressiven Charakter der Strafe.