04.06.2012 Zivilrecht

OGH: Zur schlüssigen Übernahme der Verpflichtung zu Räumungs- und Streumaßnahmen (§ 93 Abs 5 StVO) des Wegehalters

Allein aus der Tatsache, dass ein Wegehalter die gesamte Straße räumt und streut, muss noch nicht zwingend darauf zu schließen sein, dass er die Anrainerpflichten vertraglich übernommen hat, kann er doch auch (nur) in Wahrnehmung seiner eigenen Pflichten nach § 1319a ABGB tätig sein


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, Anrainer, Schneeräumpflicht, Wegehalterhaftung, schlüssige Übernahme der Verpflichtung des Wegehalters
Gesetze:

§ 93 StVO, § 1319a ABGB, § 863 ABGB

GZ 2 Ob 194/11k, 08.03.2012

 

OGH: Soweit es sich bei der Frage der konkludenten Pflichtenübernahme (auch) um eine Rechtsfrage handelt, wurde diese vom Berufungsgericht unrichtig gelöst. Denn nach stRsp ist bei der Frage der schlüssigen Übernahme einer derartigen Verpflichtung ein strenger Maßstab anzulegen. Nach den von der LuRSp geforderten Kriterien muss die Handlung oder Unterlassung nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind. Allein aus der Tatsache, dass ein Wegehalter die gesamte Straße räumt und streut, muss daher noch nicht zwingend darauf zu schließen sein, dass er die Anrainerpflichten vertraglich übernommen hat, kann er doch auch (nur) in Wahrnehmung seiner eigenen Pflichten nach § 1319a ABGB tätig sein.

 

Im vorliegenden Fall erledigt die Gemeinde zwar seit Jahrzehnten den Winterdienst auf der gegenständlichen Straße, sie wies aber per Kundmachung die Bürger auf deren Pflicht hin, zwischen 6:00 und 22:00 Uhr den Straßenrand dort, wo kein Gehsteig vorhanden ist, in einer Breite von 1 m zu säubern und zu bestreuen. Insgesamt kann aus diesem Verhalten kein zweifelsfreier Rechtsfolgewille abgeleitet werden, die Gemeinde habe die den Anrainern obliegende Räum- und Streuverpflichtung übernehmen wollen.