04.06.2012 Zivilrecht

OGH: Auswahl des Sachwalters iSd § 279 ABGB

Um den grundsätzlich zum Sachwalter zu bestellenden nahen Angehörigen übergehen zu können, müssen mögliche Interessenkollisionen wahrscheinlich sein


Schlagworte: Sachwalterschaftsrecht, Auswahl, Übergehen naher Angehöriger, Interessenkollision
Gesetze:

§ 279 ABGB

GZ 3 Ob 20/12f, 14.03.2012

 

OGH: Beim Kreis jener Personen, welche zum Sachwalter bestellt werden können, ist dem Gericht ein auf das Wohl der behinderten Person zugeschnittener Ermessensspielraum eingeräumt. Für die Auswahl der Person des Sachwalters ist somit primär das Wohl der behinderten Person entscheidend, bei der Beurteilung der Eignung einer dem Behinderten nahestehenden Person für die Bestellung zum Sachwalter ist aber auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen. Um den grundsätzlich zum Sachwalter zu bestellenden nahen Angehörigen übergehen zu können, müssen mögliche Interessenkollisionen wahrscheinlich sein.

 

Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters, der nicht aus dem Familienkreis der Betroffenen kommt, stellt keinen korrekturbedürftigen Ermessensmissbrauch dar. Die nachvollziehbar vom Rekursgericht wegen der durch die massiven Konflikte zwischen den in Frage kommenden nahen Angehörigen befürchtete Gefährdung des Wohls der Betroffenen stellt der Sachwalter gar nicht in Frage. Aber auch die aus dem unbeanstandeten Clearingbericht ON 10 ersichtliche, nacheinander erfolgte Ausstattung der im Streit befindlichen Angehörigen mit Bankvollmachten durch die Betroffene vor der Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens lässt eine Interessenkollision bei der noch ausstehenden Klärung der früheren Verwendung des Einkommens der Betroffenen (im Rahmen der Vermögensverwaltung) nicht unwahrscheinlich erscheinen.

 

Es trifft zwar zu, dass es das Erstgericht vor der Bestellung zum einstweiligen Sachwalter unterlassen hat, neuerlich beim geeigneten Verein iSd Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz (VSPBG) nachzufragen, ob die Zustimmung zur Bestellung zum einstweiligen Sachwalter erteilt wird (§ 279 Abs 3 ABGB). Allerdings sind seit der - der Bestellung des Verfahrenssachwalters vorausgehenden - erstmaligen Anfrage nur wenige Wochen vergangen, sodass eine Änderung der Haltung des Vereins nicht zu erwarten war. Selbst wenn man dennoch einen Verfahrensmangel annehmen wollte, fehlte es im Rekurs ON 24 an der Darlegung seiner Relevanz, weil der Sachwalter gar nicht behauptet hat, eine weitere Anfrage hätte zur Zustimmung des Vereins geführt. Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist daher jedenfalls zu verneinen.