11.06.2012 Zivilrecht

OGH: Geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB – zur Frage, ob bei technischen Neuerungen, die dazu führen, dass eine Sache, anders als vergleichbare Sachen, die noch nicht mit der technischen Neuerung versehen sind, nur mit bestimmten Einschränkungen verwendet werden kann, schon der Umstand, dass die Neuerung dem Stand der Technik entspricht, einen Mangel ausschließt

Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen


Schlagworte: Gewährleistung, geringfügiger Mangel, technische Neuerungen, Stand der Technik
Gesetze:

§§ 922 ff ABGB

GZ 2 Ob 77/12f, 15.05.2012

 

OGH: Die Veränderungen, die technische Neuerungen in den Verwendungsmöglichkeiten von technischen Geräten welcher Art auch immer, aber auch in der Verkehrsauffassung im Lauf der Zeit mit sich bringen, sind so verschieden und vielfältig, dass die von der Klägerin gestellte Frage nicht generell, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden kann. Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen. Die Beurteilung der Erheblichkeit bzw Geringfügigkeit eines Mangels stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar.

 

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe den Verkäufer der Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass sie das Fahrzeug fast ausschließlich im Stadtverkehr verwenden wolle, der Verkäufer habe mit einer solchen Verwendung des Fahrzeugs - einem sehr schweren und sehr leistungsstarken Geländewagen mit Allradantrieb - auch nicht rechnen müssen.

 

Diese Ansicht ist vertretbar, zumal die Funktionsweise des Dieselpartikelfilters Stand der Technik war.

 

Ergänzend sei erwähnt, dass der Bundesgerichtshof zum verwandten deutschen Gewährleistungsrecht (§ 434 BGB) die Mangelhaftigkeit eines Kraftfahrzeugs mit Dieselpartikelfilter mit Eigenschaften wie im vorliegenden Fall verneint hat.

 

Die Klägerin sieht eine erhebliche Rechtsfrage auch im Umfang der den Verkäufer einer mit einer technischen Neuerung versehenen Sache treffenden Aufklärungspflichten, wenn die technische Neuerung dazu führt, dass die Sache im Vergleich zu Sachen ohne diese technische Neuerung nur noch eingeschränkt verwendet werden kann.

 

Wann die Aufklärungspflicht des Vertragspartners nach der Übung des redlichen Verkehrs besteht, ergibt sich jeweils aus den Umständen des Einzelfalls. Dies gilt auch für die von der Klägerin benannten Umstände, die vielfältig und verschieden sein können.

 

Wenn das Berufungsgericht eine Aufklärungspflicht des Verkäufers über häufig notwendige Regenerationsfahrten (zur Selbstregenerierung bzw Selbstreinigung des Dieselpartikelfilters) bei nahezu ausschließlicher Verwendung im Stadt- bzw Kurzstreckenverkehr verneint hat, stellt dies angesichts des Umstands, dass der Verkäufer mit einer solchen Verwendung des sehr schweren und sehr leistungsstarken Geländewagens mit Allradantrieb nicht habe rechnen müssen, keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.