VwGH: Unverschuldeter Rechtsirrtum iSd § 5 Abs 2 VStG (iZm Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften)
Selbst guter Glaube stellt dann den Schuldausschließungsgrund nach § 5 Abs 2 VStG nicht her, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen; in der Unterlassung von diesbezüglichen Erkundigungen liegt zumindest ein fahrlässiges Verhalten
§ 5 Abs 2 VStG, AM-VO
GZ 2010/02/0294, 23.03.2012
In der Beschwerde wird gerügt, es sei die rechtliche Beurteilung der subjektiven Tatseite unhaltbar. Der gegenständliche Restdrahtspuler sei von der AUVA zertifiziert worden und sei trotz zahlreicher Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat unbeanstandet geblieben. Auch wenn die belangte Behörde meine, dem Arbeitsinspektorat sei die Gefahrenbeseitigung noch gefährlicherer Maschinen wichtiger gewesen, so hätte das Arbeitsinspektorat doch zumindest dem Grunde nach auch den Restdrahtspuler bemängeln können. Dies sei nicht geschehen bzw sei von der Behörde nicht festgestellt worden. Die belangte Behörde lege dem Bf eine Sorgfaltspflicht auf, die nicht einmal das Arbeitsinspektorat aufgewendet habe. Das sei aber in subjektiver Hinsicht unzumutbar.
VwGH: Gem § 5 Abs 2 VStG ist die Unkenntnis einer Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Die Unkenntnis eines Gesetzes kann nach stRsp des VwGH nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Nur ein unverschuldeter Rechtsirrtum - im Unterschied zu einem verschuldeten (so auch bloß fahrlässigen) Irrtum - bildet iSd § 5 Abs 2 VStG einen Schuldausschließungsgrund. Selbst guter Glaube stellt dann den angeführten Schuldausschließungsgrund nicht her, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen. In der Unterlassung von diesbezüglichen Erkundigungen liegt zumindest ein fahrlässiges Verhalten.
Indem der Bf schlicht darauf vertraute, dass der gegenständliche Restdrahtspuler von der AUVA zertifiziert wurde und vom Arbeitsinspektorat trotz zahlreicher Kontrollen unbeanstandet geblieben ist, vermag er iSd dargestellten Judikatur keinen unverschuldeten Rechtsirrtum darzustellen, zumal er sich als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Arbeitgeberin mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen gehabt hätte. Die belangte Behörde erlegte in diesem Zusammenhang dem Bf auch keine unzumutbaren Sorgfaltspflichten auf.