20.06.2012 Verfahrensrecht

VwGH: Nichtaufnahme beantragter Zeugenbeweise

Eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig


Schlagworte: Ermittlungsverfahren, Nichtaufnahme beantragter Zeugenbeweise, unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung
Gesetze:

§§ 37 ff AVG

GZ 2011/04/0212, 17.04.2012

 

VwGH: Nach stRsp dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist. Die "freie Beweiswürdigung" gem § 45 Abs 2 AVG darf erst nach einer vollständigen Beweiserhebung durch die Behörde einsetzen; eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig.

 

Den Beschwerden ist darin zuzustimmen, dass die belangte Behörde mit der wiedergegebenen Begründung dafür, weshalb sie den beantragten Zeugen nicht vernommen habe, gerade eine vorgreifende Beweiswürdigung in diesem Sinn vorgenommen hat, hat sie doch ohne Anhörung des Zeugen konstatiert, was dieser "erklären hätte können". Dass dem im Verwaltungsverfahren iZm dem Zeugenantrag erstatteten Vorbringen - das die belangte Behörde ihren Entscheidungen gerade nicht zugrunde gelegt hat - mit Blick auf § 26 Abs 2 GewO Relevanz zukommt, steht außer Frage.