OGH: Zur Frage, ob auch auf culpa in contrahendo gestützte Schadenersatzansprüche des aus einer Lebensversicherung Begünstigten unter § 12 Abs 3 VersVG fallen
Die Bestimmung des § 12 Abs 3 VersVG ist auch auf die Versicherungsleistung ersetzende Ansprüche aus culpa in contrahendo anzuwenden
§ 12 VersVG
GZ 7 Ob 24/12y, 30.05.2012
OGH: Zweck des § 12 Abs 3 VersVG ist die möglichst schnelle Klärung, ob die Deckungsablehnung des Versicherers rechtens ist, weil durch jede Verzögerung in der Erledigung zweifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgebenden Tatsachen erschwert und zugleich die Übersicht über den wahren Stand des Vermögens des Versicherers beeinträchtigt wird. Nach hM ist die Bestimmung eng dahin auszulegen, dass nur Ansprüche, die ihre rechtliche Grundlage in dem betreffenden Versicherungsvertrag haben, die also nach ihrer Rechtsnatur auf dem Versicherungsvertrag beruhen, iSd § 12 Abs 1 VersVG solche „aus dem Versicherungsvertrag“ sind.
Dies trifft auf den hier geltend gemachten Schadenersatzanspruch aus den vom Berufungsgericht zur Frage der Subsumtion unter den Art 23 ARB angestellten Erwägungen zu. Die Klägerin ist nach den festgestellten Umständen des vorliegenden Falls als Bezugsberechtigte des Lebensversicherungsvertrags so zu behandeln wie der Versicherungsnehmer. Dessen Schadenersatzansprüche aus culpa in contrahendo (Verschulden bei bzw vor Vertragsschluss) wurden in Deutschland nach der, der österreichischen ganz vergleichbaren, Rechtslage vor der Reform des VVG als Ersatz für die Versicherungsleistung dem § 12 Abs 3 VVG aF unterstellt.
Die Beklagte meint, dies müsse auch nach österreichischem Recht gelten und verweist zur Unterstützung dieser Rechtsansicht auf die Entscheidung 7 Ob 229/08i, in der der OGH zum Ergebnis gelangte, dass sich die Vinkulierung eines Versicherungsanspruchs auch auf einen Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo gegen den Versicherer beziehe. Ob die betreffenden Ausführungen des OGH tatsächlich auch für den vorliegenden Fall übertragen werden können, kann aus folgenden Erwägungen hier dahingestellt bleiben: Die von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzansprüche aus culpa in contrahendo haben ihre rechtliche Grundlage in dem von der Klägerin ja initiierten und finanzierten und sie allein begünstigenden Lebensversicherungsvertrag und sollen die Versicherungsleistung ersetzen. Vom deutschen BGH wurde mit Blick auf Ansprüche aus culpa in contrahendo der allgemeine Rechtsgedanke entwickelt, dass die für vertragliche Erfüllungsansprüche maßgeblichen Verjährungsfristen auch für solche Ansprüche gelten sollten, die wirtschaftlich die Stelle der vertraglichen Erfüllungsansprüche einnehmen und insoweit der „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen“ sind. Der gesetzliche Zweck der kurzen Verjährungsfrist gehe dahin, für beide Ansprüche (für den Erfüllungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag und für den Anspruch aus culpa in contrahendo) in gleicher Zeit Rechtsfrieden herzustellen. Diese Überlegungen überzeugen. Der OGH ist daher der Ansicht, dass die Bestimmung des § 12 Abs 3 VersVG auch auf die Versicherungsleistung ersetzende Ansprüche aus culpa in contrahendo anzuwenden ist.
Die im Schrifttum mehrfach angestellte Überlegung, § 12 Abs 3 VersVG privilegiere die Versicherer über Gebühr und gehöre daher, wie in Deutschland inzwischen geschehen, abgeschafft, kann dieses Ergebnis nicht zu Gunsten der Klägerin verändern; die Bestimmung ist, solange sie in Österreich zum Rechtsbestand gehört, auch entsprechend anzuwenden, wenn sich ein Versicherer, wie hier die Beklagte, darauf beruft. Ob die Frist des § 12 Abs 3 VersVG auch schon von Amts wegen wahrzunehmen wäre, muss hier nicht erörtert werden.
Es steht fest, dass die Klägerin die in § 12 Abs 3 VersVG normierte Jahresfrist versäumt hat. Der Einwand der Beklagten, die Verfolgung der Ansprüche sei demnach aussichtslos und Rechtsschutzdeckung deshalb nicht gegeben, ist daher berechtigt. Dass es zur Frage, ob § 12 Abs 3 VersVG auch für einschlägige Schadenersatzansprüche wegen culpa in contrahendo gilt, bislang noch keine oberstgerichtliche Judikatur gab, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts daran, dass die betreffende Klagsführung objektiv als aussichtslos angesehen werden muss, nichts ändern.
Die Beklagte hat demnach gem Art 9.2.3 der ARB 2005 die Rechtsschutzdeckung (auch) für die von der Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus culpa in contrahendo gegen den Lebensversicherer inzwischen erhobene Klage wegen Aussichtslosigkeit zu Recht abgelehnt. Der Revision ist daher Folge zu geben. Da das Erstgericht im Ergebnis richtig entschieden hat, ist das Ersturteil wiederherzustellen.