09.07.2012 Zivilrecht

OGH: Kommunikationsgeheimnis, Datenschutz gem §§ 92 ff TKG – der Betreiber eines Internet-Chat-Forums ist kein Kommunikationsdienstebetreiber iSd TKG

Die Verwendung personenbezogener Daten iVm der Bereitstellung von Diensten, die keine elektronische Kommunikationsdienste darstellen, ist nicht von den §§ 92 ff TKG erfasst


Schlagworte: Telekommunikationsrecht, Kommunikationsgeheimnis, Datenschutz, Internet-Diskussions-forum, Verwendung personenbezogener Daten
Gesetze:

§§ 92 ff TKG

GZ 6 Ob 119/11k, 22.06.2012

 

OGH: Der Betreiber eines Internet-Diskussions-forums ist in LuRsp als Host-Provider anerkannt. Auch der Richtliniengeber der E-Commerce-Richtlinie ging von dieser Rechtsauffassung aus.

 

Der der Entscheidung 4 Ob 41/09x zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich vom vorliegenden Fall in einem wesentlichen Punkt: Ging es in 4 Ob 41/09x um einen gegen einen Internetzugangsprovider gerichteten Auskunftsanspruch, ist hier ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Betreiber einer Website bzw eines darauf enthaltenen Diskussionsportals, der als Hostprovider zu qualifizieren ist, erhoben worden. Das Telekommunikationsrecht kennt den Begriff des Host-Providers nicht.

 

Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des TKG wurden nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (30. 6. 2010) zweimal novelliert (BGBl I 27/2011, BGBl I 102/2011). Mangels Rückwirkungsbestimmungen ist auf den vorliegenden Sachverhalt noch die vor diesen Novellen maßgebliche und im Folgenden dargestellte Rechtslage anzuwenden.

 

Der 12. Abschnitt des TKG (§§ 92 ff) sieht eine Reihe spezieller Datenschutzvorschriften vor, die den Bestimmungen des DSG vorgehen (§ 92 Abs 1 TKG). Das Kommunikationsgeheimnis gem § 93 Abs 1 TKG gilt für den „Betreiber“ und alle, die an dessen Tätigkeit mitwirken (§ 93 Abs 2 TKG). § 96 TKG regelt, dass Stammdaten, Verkehrsdaten, Standortdaten und Inhaltsdaten nur für Zwecke der Besorgung eines „Kommunikationsdienstes“ verarbeitet werden dürfen. § 97 TKG regelt die Voraussetzungen für die Ermittlung und Verarbeitung von Stammdaten durch „Betreiber“. § 99 TKG sieht vor, dass Verkehrsdaten außer in den gesetzlich geregelten Fällen nicht gespeichert werden und vom „Betreiber“ nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen sind. § 101 TKG regelt die Speicherung und Verarbeitung von Inhaltsdaten durch den „Anbieter“.

 

Diese Zusammenschau zeigt, dass die datenschutzrechtlichen Vorschriften des TKG nur für bestimmte Personengruppen gelten. „Anbieter“ ist gem § 92 Abs 3 Z 1 TKG der „Betreiber von öffentlichen Kommunikationsdiensten“. Gem § 3 Z 3 TKG ist unter dem Betreiben eines Kommunikationsdienstes das Ausüben der rechtlichen Kontrolle über die Gesamtheit der Funktionen, die zur Erbringung des jeweiligen Kommunikationsdienstes notwendig sind, zu verstehen. „Kommunikationsdienst“ ist nach § 3 Z 9 TKG eine gewerbliche Dienstleistung, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze besteht, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben. Ausgenommen davon sind Dienste der Informationsgesellschaft, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Kommunikationsnetze bestehen. Der Begriff „Kommunikationsnetz“ ist in § 3 Z 11 TKG definiert.

 

Im Einklang mit Art 3 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation), der den Anwendungsbereich der bereichsspezifischen Datenschutzvorschriften auf die Verarbeitung personenbezogener Daten iVm der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste beschränkt, ist davon auszugehen, dass die Verwendung personenbezogener Daten iVm der Bereitstellung von Diensten, die keine elektronische Kommunikationsdienste darstellen, nicht von den §§ 92 ff TKG erfasst ist. Vielmehr hat dann das allgemeine Datenschutzregime zu gelten.

 

Die Datenschutzkommission und ihr folgend der VwGH gingen davon aus, dass der Betreiber eines Internet-Chat-Forums kein (Tele-)Kommunikationsdienstebetreiber ist. Damit übereinstimmend hat die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung selbst eingeräumt, keine Kommunikationsdienste zu erbringen.

 

Die genannten Vorschriften des TKG sind somit auf die Beklagte nicht anzuwenden.