16.07.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Berufsunfähigkeitspension und regionaler Arbeitsmarkt

Die Lage des Wohnortes und die Anzahl der am regionalen Arbeitsmarkt offen stehenden Stellen haben für die Frage der Berufsunfähigkeit nur dann eine Bedeutung, wenn dem Versicherten die Verlegung des Wohnsitzes aus medizinischen Gründen verwehrt ist


Schlagworte: Pensionsversicherung, Berufsunfähigkeitspension, zumutbare Verweisungstätigkeiten, regionaler Arbeitsmarkt
Gesetze:

§ 271 ASVG, § 273 ASVG

GZ 10 ObS 71/12g, 05.06.2012

 

OGH: Einem Pensionswerber, dem infolge seines Gesundheitszustands zwar nicht mehr der gesamte österreichische Arbeitsmarkt offen steht, wohl aber ein regionaler Arbeitsmarkt, müssen auf dem von ihm erreichbaren Teilarbeitsmarkt zwar nicht mindestens hundert für ihn geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, sondern es genügt, wenn es in der betreffenden Region für die dem Versicherten zumutbaren Verweisungstätigkeiten eine solche Zahl von offenen oder besetzten Stellen gibt, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Arbeitsfähiger und Arbeitswilliger einen solchen Arbeitsplatz auch erlangen kann. Die Revisionswerberin vermeint nun, es stelle eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, ob letztere Voraussetzung erfüllt ist, wenn 31-39 Arbeitsplätze auf dem regionalen Arbeitsmarkt vorhanden sind.

 

Dabei übersieht die Revisionswerberin aber, dass die Lage des Wohnortes und die Anzahl der am regionalen Arbeitsmarkt offen stehenden Stellen für die Frage der Berufsunfähigkeit nur dann eine Bedeutung haben, wenn dem Versicherten die Verlegung des Wohnsitzes aus medizinischen Gründen verwehrt ist. Steht aber - wie bei der Klägerin - ein aus medizinischen Gründen gegebener Ausschluss von Wochenpendeln oder auch der Verlegung des Wohnsitzes nicht fest, kommt es auf die im gesamten Bundesgebiet vorhandenen Arbeitsplätze an. In diesem Fall ist die Anzahl der am regionalen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze nicht entscheidungsrelevant, sodass sich die in der Revision als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht stellt. Dass bundesweit mindestens 100 Arbeitsplätze für die jeweiligen Verweisungstätigkeiten vorhanden sind, zieht die Revisionswerberin nämlich gar nicht in Zweifel. Schon aus diesem Grund ist auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu verneinen, die darin liegen soll, dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichts zur Anzahl der am regionalen Arbeitsmarkt in jedem der der Klägerin zumutbaren Verweisungsberufe offen stehenden Arbeitsplätze abgewichen sein soll.

 

Es steht fest, dass die Klägerin die - von den Vorinstanzen im einzelnen genannten -Verweisungstätigkeiten nur im Ausmaß von 30 Arbeitsstunden pro Woche bei Einhaltung einer 5-Tage Arbeitswoche verrichten kann und ihr bei einem 6 Stunden-Arbeitstag Bildschirmarbeiten im Ausmaß von nur drei Stunden möglich sind. Wenn die Revisionswerberin dennoch behauptet, die Feststellung zum zeitlichen Ausmaß der (durchgehend) möglichen Bildschirmarbeiten beziehe sich auf einen „Vollarbeitsplatz“ (iS eines 8-Stunden Arbeitstags), geht sie nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.