OGH: Herabsetzung der vorläufigen Versehrtenrente gem § 209 ASVG und Festsetzung der Dauerrente
Aus dem letzten Satz des § 209 Abs 1 ASVG folgt, dass bei der erstmaligen Feststellung der Dauerrente der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit völlig neu bestimmt werden kann; es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn man die Herabsetzung der - im zulässigen Zeitrahmen des § 209 Abs 1 ASVG - vorläufig weiter gewährten Rente an strengere Voraussetzungen (= die Änderung der Verhältnisse iSd § 183 Abs 1 ASVG) knüpfen wollte als die Festsetzung der Dauerrente
§ 209 ASVG, § 203 ASVG, § 183 ASVG
GZ 10 ObS 83/12x, 26.06.2012
OGH: Die Bestimmung des § 209 ASVG über die vorläufige Versehrtenrente bezweckt, einem Versehrten rasch und ohne weitläufiges Verfahren eine Rente zukommen zu lassen, wenn die Berechtigung dem Grunde nach feststeht. Gerade wegen des vorläufigen Charakters einer solchen Rente hat der Gesetzgeber normiert, dass die Feststellung der Dauerrente spätestens nach Ablauf des zweiten Jahres nach dem Eintritt des Versicherungsfalls eine Änderung der Verhältnisse (§ 183 Abs 1) nicht voraussetzt. Aus dem letzten Satz des § 209 Abs 1 ASVG folgt, dass bei der erstmaligen Feststellung der Dauerrente der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit völlig neu bestimmt werden kann. Eine Bindung an die Umstände zum Zeitpunkt der Gewährung der vorläufigen Rente besteht nicht.
Im vorliegenden Fall wurde keine Dauerrente gewährt, sondern die am 19. 5. 2010 vorläufig im Ausmaß von 35 vH der Vollrente gewährte Versehrtenrente ab 1. 5. 2011 auf 25 vH der Vollrente herabgesetzt, ohne dass es schon zur Feststellung als Dauerrente gekommen wäre. Es wäre nun ein Wertungswiderspruch, wenn man die Herabsetzung der - im zulässigen Zeitrahmen des § 209 Abs 1 ASVG - vorläufig weiter gewährten Rente an strengere Voraussetzungen (= die Änderung der Verhältnisse iSd § 183 Abs 1 ASVG) knüpfen wollte als die Festsetzung der Dauerrente. Auch im vorliegenden Fall muss nämlich der Grundsatz Anwendung finden, dass der Zeitraum von zwei Jahren ausgeschöpft werden kann, um eine allfällige Konsolidierung der Unfallfolgen abzuwarten. Demzufolge kann auch dem Erstbescheid über die (nur) vorläufig gewährte Rente im Falle der Herabsetzung derselben ohne gleichzeitige Feststellung einer Dauerrente keine materielle Rechtskraftwirkung zukommen, deren Durchbrechung an die Voraussetzungen des § 183 ASVG gebunden wäre. Damit bedurfte es keiner Feststellungen darüber, welche Änderungen in den Unfallsfolgen sich seit dem für die Gewährung der vorläufigen Rente maßgeblichen Zeitpunkt ergeben haben. Nur bei Zuerkennung einer Dauerrente bleibt der Versicherungsträger an die bescheidmäßig erfolgte Zuerkennung einer Rente und an den zugrundegelegten Sachverhalt auch dann gebunden, wenn sich die dem Bescheid zugrundeliegende ärztliche Beurteilung als unrichtig erweist.