13.08.2012 Verfahrensrecht

OGH: Anfechtung – Befriedigungstauglichkeit und Gläubigerbenachteiligung

Eine erfolgreiche Anfechtung setzt voraus, dass die Anfechtung befriedigungstauglich ist und eine Benachteiligung der Gläubiger eingetreten ist; auch wenn sich beide Voraussetzungen weitgehend überlagern können, handelt es sich doch um getrennt zu prüfende Bedingungen für die Anfechtbarkeit


Schlagworte: Insolvenzrecht, Anfechtung, Befriedigungstauglichkeit, Gläubigerbenachteiligung, bloßer Gläubigerwechsel, Beweislast
Gesetze:

§ 28 IO, §§ 27 ff IO § 2 AnfO

GZ 3 Ob 129/12k, 11.07.2012

 

OGH: Eine Anfechtung ist nur dann befriedigungstauglich, wenn die Beseitigung der Rechtswirkungen der Schuldnerhandlung die Befriedigungsaussicht der Gläubiger zu fördern geeignet ist: Aus Sicht des Zeitpunkts des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz ist jede Erweiterung und Erleichterung der Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger auf das Vermögen des Schuldners grundsätzlich befriedigungstauglich. Die Behauptungs- und Beweislast für die Befriedigungstauglichkeit liegt beim Insolvenzverwalter.

 

Eine Gläubigerbenachteiligung liegt dann vor, wenn der Befriedigungsfonds, auf den die Gläubiger im Insolvenzverfahren angewiesen sind, im Vergleich zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung verkleinert worden ist. Ob sich das angefochtene Geschäft in diesem Sinn für die Gläubiger tatsächlich nachteilig ausgewirkt hat, ist grundsätzlich ebenfalls nach der Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz zu beurteilen. Zwar ist die Nachteiligkeit ein allgemeines Anfechtungserfordernis; die Beweislast trifft aber nur bei jenen Anfechtungstatbeständen den Insolvenzverwalter, in denen sie ausdrücklich als Anfechtungserfordernis genannt ist. In allen anderen Fällen, in denen die Nachteiligkeit vermutet wird, liegt es am Anfechtungsgegner, ihr Fehlen zu behaupten und zu beweisen.

 

Die von der Rsp geforderte Intensität der Behauptungen zur Befriedigungstauglichkeit ist gering; diese geringe Intensität der Behauptungslast schlägt auch auf die Gläubigerbenachteiligung durch, als bei bestehender Befriedigungstauglichkeit regelmäßig davon auszugehen ist, dass auch eine zumindest mittelbare Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist.

 

Die beklagte Partei hat im erstinstanzlichen Verfahren - mit dem Hinweis darauf, dass die Zahlungen vom Kontokorrentkonto erfolgt seien und es zu einem anfechtungsneutralen Gläubigerwechsel gekommen sei - Behauptungen zur fehlenden Befriedigungstauglichkeit aufgestellt.

 

Nach der Rsp ist der „bloße Gläubigerwechsel“ - wenn die Befriedigung eines Gläubigers durch einen Dritten mit fremden Mitteln erfolgt - im Regelfall nicht anfechtbar, weil er sich nicht auf die Insolvenzmasse auswirkt. Anders ist es dann, wenn der neue Gläubiger seine Forderung aus einer besseren Rechtsstellung heraus geltend machen kann oder wenn sich der durch die Befriedigung des früheren Gläubigers erfolgte Gläubigerwechsel zu Lasten der späteren Insolvenzmasse auswirkt, sich also die Position der übrigen Gläubiger verschlechtert.

 

Das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass (vor den Zahlungen) die beklagte Partei und (nach den Zahlungen) die Bank - jeweils im Verhältnis zur Schuldnerin - die gleiche ungesicherte Gläubigerstellung hatte. Die Bank als Neugläubigerin hat hinsichtlich der strittigen 67.928,96 EUR keine Möglichkeit, die Insolvenzmasse um den vollen Forderungsbetrag zu vermindern, sondern nur einen Anspruch auf die Quote. Die von der Schuldnerin zur Sicherung der Kontokorrentkreditverbindlichkeiten bestellten Sicherheiten im Wert von 10.293 EUR reichten nicht aus, um die strittige Kreditverbindlichkeit von 67.928,96 EUR auch nur zum Teil zu sichern, zumal aus dem Kontokorrentkreditverhältnis zwischen der Bank und der Schuldnerin eine Insolvenzforderung von 99.268,99 EUR aushaftete.

 

Die beklagte Partei hat ihre Behauptungen zum Vorliegen eines „bloßen Gläubigerwechsels“ - in Form eines Austausches gleich ungesicherter Gläubiger - auch unter Beweis gestellt. Es wäre am Kläger gelegen, bereits im Verfahren erster Instanz entsprechende (Gegen-)Behauptungen aufzustellen und den erbrachten Beweis wieder zu entkräften. Keineswegs unvertretbar hat das Berufungsgericht das entsprechende Berufungsvorbringen als Neuerung unberücksichtigt gelassen.