22.08.2012 Sicherheitsrecht

VwGH: Versagung eines Waffenpasses

Der Schutz von Dienstnehmern vor Straftaten (gefährlichen Angriffen, Überfällen) bei der Erfüllung des Dienstverhältnisses fällt unter die (allgemeine) Fürsorgepflicht des Dienstgebers, der ua die Dienstleistungen so zu regeln hat, dass Leben und Gesundheit des Dienstnehmers (soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist) geschützt werden; diese Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht auch gegenüber Vertragsbediensteten von Gebietskörperschaften; die Abwehr allgemeiner Gefahren bei Amtshandlungen innerhalb wie außerhalb der Amtsräume einer Verwaltungsbehörde bzw Verwaltungsdienststelle (und damit auch die Hintanhaltung des Eintretens von Notwehrsituationen) liegt bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive


Schlagworte: Waffenrecht, Waffenpass, Bedarf, Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Sicherheitsbehörde, Abwehr allgemeiner Gefahren
Gesetze:

§ 21 Abs 2 WaffG, § 22 Abs 2 WaffG, § 6 2. WaffV, § 21 SPG, § 16 SPG

GZ 2012/03/0037, 20.06.2012

 

VwGH: Es ist allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt.

 

Die Beschwerde wendet ein, es sei nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde einerseits davon ausgehe, dass der Bf als Bauamtsleiter zweifelsohne in eine gefährliche Situation kommen könnte, andererseits aber zum Ergebnis komme, dass die vom Bf angeführten Gründe hiefür im Wesentlichen Vermutungen und Befürchtungen sein sollten. Auch habe die Erstbehörde die Sorge des Bf nach dem Vorfall in Klosterneuburg (Erschießen eines Beamten durch eine "aufgebrachte Partei") als nicht völlig unbegründet erachtet, da speziell der aktuelle Fall Ge Besorgnis erwecke. Der Bf habe mehrere konkrete Vorfälle substantiiert und belegt, dass die Bedarfsbegründung (anders als die Behörde meint) nicht generell auf jeden Bauamtsleiter zutreffen würde. In der Berufung sei auf den amtsbekannten J R verwiesen worden, der bei unangekündigten Besuchen am Gemeindeamt jedes Mal eine überdimensionale Axt mitgenommen und vor dem jeweiligen Zimmer des aufgesuchten Behördenorgans abgestellt habe; das Mitnehmen einer Axt sei wohl kaum eine Vermutung sondern eine Tatsache, nämlich ein ganz konkreter oder substantiierter Hinweis darauf, dass die Person gewaltbereit sei. Ferner habe dem Bf der Dienststellenleiter der Polizeiinspektion G nicht nur attestiert, dass er als sehr korrekter und besonnener Beamter bekannt sei, sondern dass gerade das konkrete Strafverfahren gegen Herrn Ge aus Sicht der Polizei ein Gefahrenpotential berge. Entgegen dem Erstbescheid habe die Polizeiinspektion nicht ausgeführt, dass Ge kein potentieller Gewalttäter sei, vielmehr sei festgehalten worden, dass es sich bei den bekannten Fällen um Personen gehandelt habe, welche im Vorfeld nicht als potentieller Gewalttäter bekannt gewesen seien. Auch bei Ge sei nicht bekannt, ob er ein potentieller Gewalttäter sei, im Vorfeld sei es auch nicht möglich, dies zu beurteilen. Gerade dies lege die vom Bf dargelegte besondere Gefährdung nahe und schließe es aus, dass immer rechtzeitig die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen werden könne, weil eben von Vornherein nicht klar sei, wie eine entsprechende Person reagieren werde und es zudem unmöglich sei, dass während der gesamten Dienstzeit am Gemeindeamt und bei jedem (häufigen) Auswärtstermin ein Polizist anwesend sei. Die vom Bf dargestellten Vorfälle zeigten, dass dieser evidentermaßen besonderen Gefahren ausgesetzt sei, die auch außerhalb des Wohn- und Betriebsbereiches des Bf gegeben seien. Wie die Stellungnahme der Polizeiinspektion G zeige, sei es nicht in jedem Einzelfall möglich, eine Gefahrenanalyse abzugeben; auch spätere Gewalttäter seien im Vorfeld nicht als potentielle Gewalttäter bekannt gewesen. Daher sei es auch nicht immer möglich, die Polizei um Assistenz zu ersuchen. Ferner könne Herr Ge beispielsweise nach Zustellung eines existenzbedrohenden Strafbescheides den Bf jederzeit aufsuchen, ein entsprechender möglicher Gewaltakt würde nicht zu einer vorbestimmten Stunde oder zu einer vorbestimmten Zeit stattfinden, was eine polizeiliche Assistenzleistung unmöglich erscheinen lasse. Abschließend weist der Bf darauf hin, dass er ein sehr korrekter und besonnener Beamter sei, der eine genehmigungspflichtige Schusswaffe nur im äußersten Notfall und nur zur Abwehr eines unmittelbar drohenden schwerwiegenden Angriffes einsetzen würde.

 

Mit diesem Vorbringen ist es dem Bf nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass in den von ihm aus seiner Berufstätigkeit abgeleiteten Gefahrensituationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und auf andere Weise das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann, und daher ein Bedarf iSd § 22 Abs 2 WaffG bestehe.

 

Der VwGH hat bereits ausgesprochen, dass der Schutz einer Dienstnehmerin bzw Arbeitsnehmerin vor Straftaten (gefährlichen Angriffen, Überfällen) bei der Erfüllung ihres Dienst- bzw Arbeitsverhältnisses unter die (allgemeine) Fürsorgepflicht ihres Dienst- bzw Arbeitgebers fällt, der ua die Dienstleistungen so zu regeln hat, dass Leben und Gesundheit des Dienstnehmers (soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist) geschützt werden.

 

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers besteht auch gegenüber Vertragsbediensteten von Gebietskörperschaften (wie hier einer Gemeinde), derzufolge die Arbeitsbedingungen entsprechend den materiellen und ideellen Interessen der Arbeitnehmer zu wahren sind. Nach der Rsp des VwGH kommt diese Fürsorgepflicht des Dienstgebers gegenüber den (in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden) Beamten ebenfalls zum Tragen.

 

Da es somit auf der Grundlage seiner Fürsorgepflicht beim Dienstgeber des Bf liegt, diesem den erforderlichen Schutz vor Straftaten (gefährlichen Angriffen, Überfällen) zukommen zu lassen, besteht schon deshalb beim Bf kein Bedarf iSd § 22 Abs 2 WaffG.

 

Weiters ist bezüglich der vom Bf befürchteten gefährlichen Angriffe auf das SPG hinzuweisen. Nach dem SPG obliegt die Sicherheitsverwaltung den Sicherheitsbehörden (§ 2 Abs 1 leg cit), die Organe des Sicherheitsdienstes versehen für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst (§ 5 Abs 1 leg cit). Zur Sicherheitspolizei zählt insbesondere die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 3 leg cit), wobei die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit insbesondere die Abwehr allgemeiner Gefahren (diese obliegt gem § 21 iVm § 16 SPG den Sicherheitsbehörden) erfasst. Nach § 16 Abs 1 SPG besteht eine allgemeine Gefahr bei einem gefährlichen Angriff, nämlich der Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung eines Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung (die vorsätzlich begangen wird) nach dem StGB, wie dies der Beschwerde bezüglich befürchteter Eingriffe in das Leben bzw die körperliche Integrität des Bf offensichtlich vor Augen steht. Die Abwehr solcher Gefahren bei Amtshandlungen innerhalb wie außerhalb der Amtsräume einer Verwaltungsbehörde bzw Verwaltungsdienststelle (und damit auch die Hintanhaltung des Eintretens von Notwehrsituationen) liegt somit bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive, was nicht dadurch ersetzt werden kann, dass im Interesse der Gefahrenabwehr andere Organwalter im Wege der Ausstellung des Waffenpasses zum Führen einer Waffe berechtigt werden, zumal diesen Organwaltern die Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive (eben) nicht zukommen. Dem vom Bf befürchteten Eintritt von Notwehrsituationen kann auch durch die von ihm und im bekämpften Bescheid angesprochene Unterstützung seitens der Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive - die eingeräumtermaßen schon bisher in einer Reihe von Fällen erfolgte - entgegengetreten werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Bf nach dem insofern unstrittigen Sachverhalt ohnehin über eine Waffenbesitzkarte verfügt und daher dementsprechend nach Maßgabe des § 7 Abs 2 WaffG innerhalb der Betriebsräume (somit auch der Amtsräume) eine Waffe bei sich haben darf.

 

Schließlich hat die belangte Behörde (im Wege der Bestätigung des Erstbescheides) zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen kann, und dass der Versuch, Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, eine Erhöhung der Gefährlichkeit solcher Situationen mit sich bringen kann. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde (im Wege der Bestätigung des Erstbescheides) vom Ermessen iSd § 21 Abs 2 zweiter Satz WaffG nicht zugunsten des Bf Gebrauch machte.