VwGH: Erteilung der Vollmacht im Finanzstrafverfahren
Dem Umstand, dass eine Vollmacht dem Finanzamt als Abgabenbehörde gegenüber bekannt gegeben worden ist, kommt für das Finanzstrafverfahren keine Bedeutung zu
§ 77 FinStrG, § 56 FinStrG, § 83 BAO, § 9 ZustG
GZ 2010/16/0275, 28.06.2012
VwGH: Gem § 77 Abs 1 FinStrG haben Beschuldigte das Recht, sich selbst zu verteidigen und in jeder Lage des Verfahrens den Beistand eines Verteidigers in Anspruch zu nehmen. Sie können sich durch Verteidiger auch vertreten lassen, soweit nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird. Die Vorschriften der BAO über die Bevollmächtigung mit Ausnahme von § 83 Abs 4 BAO gelten gem § 77 Abs 2 FinStrG sinngemäß.
Gem § 56 Abs 3 FinStrG gelten für die Zustellungen das ZustG und sinngemäß die Bestimmungen des dritten Abschnittes der BAO.
Die Bf bestreitet die Wirksamkeit der Zustellung der Strafverfügung des Finanzamtes vom 26. August 2009 an die Bf selbst durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 27. August 2009. Für die Bf sei zu diesem Zeitpunkt ein Zustellungsbevollmächtigter im Finanzstrafverfahren bestellt gewesen, dem gem § 9 Abs 3 ZustG zuzustellen gewesen wäre.
Dass die Bf im konkreten Finanzstrafverfahren vor dem Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz bis zum Einspruch gegen die erwähnte Strafverfügung durch einen Verteidiger vertreten gewesen wäre und dem Finanzamt für dieses Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten oder überhaupt einen Bevollmächtigten namhaft gemacht hätte, behauptet weder die Bf noch ist dies den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen.
Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der ausdrücklichen Berufung auf die erteilte Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden.
Dem Umstand, dass eine Vollmacht dem Finanzamt als Abgabenbehörde gegenüber bekannt gegeben worden ist, kommt für das Finanzstrafverfahren insoweit keine Bedeutung zu. Auch der von der Bf hervorgehobene Umstand, dass in einem früheren Finanzstrafverfahren das Erkenntnis des Spruchsenates (nach Berufung auf die erteilte Vollmacht im Schriftsatz vom 3. November 2003) an den Verteidiger (Vertreter) der Bf zugestellt wurde, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Bevollmächtigung im jeweiligen Verfahren ausgewiesen werden muss.
Der Verweis der Bf auf das Erkenntnis vom 1. September 2009, 2007/13/0022, geht deshalb ins Leere, weil jenem Erkenntnis die Rechtsfrage zugrunde lag, ob die allgemein erteilte Vollmacht auch eine Zustellvollmacht einschließe. Dass in dem jenem Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahren diese (allgemeine) Vollmacht und die dazugehörige Bevollmächtigung im konkreten Verfahren geltend gemacht wurde, war nicht strittig.
Für das Finanzamt bestand somit keine Veranlassung, vom Vorliegen einer im hier zugrunde liegenden Finanzstrafverfahren geltend gemachten (die Zustellungsbevollmächtigung einschließenden) Vollmacht auszugehen. Deshalb durfte die belangte Behörde von einer wirksamen Zustellung der Strafverfügung an die Bf selbst durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist für die hinterlegte Strafverfügung am Donnerstag, dem 27. August 2009, ausgehen. Dergestalt erweist sich der am Dienstag, dem 29. September 2009, zur Post gegebene Einspruch als verspätet. Die belangte Behörde hat daher den gegen die erwähnte Strafverfügung eingebrachten Einspruch zu Recht im Instanzenzug zurückgewiesen.