03.09.2012 Zivilrecht

OGH: Wohnung im Miteigentum der Ehegatten – Unterhaltsbemessung iZm fiktiver Mietersparnis

Es kommt auf die (gänzliche oder teilweise) Wohnkostenersparnis durch Zurverfügungstellen der Wohnung an


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, überlassene Wohnung, Naturalunterhalt, fiktiver Mietwert, Miteigentum
Gesetze:

§ 94 ABGB, § 140 ABGB

GZ 6 Ob 43/12k, 19.04.2012

 

OGH: Nach nunmehr stRsp des OGH ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten vom Unterhaltspflichtigen überlassenen Eigentumswohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen. Dieser Grundsatz gilt sowohl im Kindes- als auch im Ehegattenunterhaltsrecht.

 

Steht die Wohnung im Miteigentum der Ehegatten, ist die fiktive Mietersparnis im Ausmaß der Miteigentumsanteile zu berücksichtigen.

 

Die in vereinzelten Entscheidungen vom 2. Senat des OGH vertretene Auffassung, aus dem bloßen Miteigentum lasse sich noch kein Anspruch auf Anrechnung eines fiktiven Mietzinses als Naturalunterhalt ableiten, wurde in jüngerer Zeit unter dem Eindruck der an der Entscheidung 2 Ob 224/08t von den Glossatoren geäußerten Kritik nicht aufrecht erhalten. Tatsächlich kommt es auf die (gänzliche oder teilweise) Wohnkostenersparnis durch Zurverfügungstellen der Wohnung an. Dieser jüngeren Rsp schließt sich auch der erkennende Senat va im Hinblick darauf an, dass es auch bei Zurverfügungstellen (lediglich) von Miteigentum zu einer teilweisen Doppelalimentation des Unterhaltsberechtigten käme.

 

Ausgehend von dem im vorliegenden Verfahren unbestritten gebliebenen „Wohnungswert“ des von der Frau nunmehr allein genutzten Hauses iHv 500 EUR und bestehendem (jeweiligem) Hälfteeigentum der Parteien kann sich der Mann somit monatlich 250 EUR als Naturalunterhalt auf die ihn treffende Unterhaltsverpflichtung anrechnen lassen. Dass er das Haus verlassen hat, kann dabei nicht zu seinen Lasten gehen, war die Frau damit doch einverstanden (§ 90 ABGB).

 

Nach ebenfalls stRsp ist der Naturalunterhalt grundsätzlich nur im angemessenen Umfang anzurechnen; dem Unterhaltsberechtigten hat stets ein in Geld zu leistender Unterhalt zuzukommen, weil er ja von der Wohnung allein nicht leben kann. Zumindest bei durchschnittlichen Verhältnissen lässt die Rsp eine Kürzung des Geldunterhaltsanspruchs aus dem Titel der Wohnversorgung daher lediglich um rund ein Viertel zu. Steht dabei jenem Ehegatten, der die Eigentumswohnung benutzt, aufgrund eigenen Einkommens nur ein Ergänzungsunterhalt zu, ist dieses Viertel nicht aus diesem zu ermitteln, sondern aus dem Eigeneinkommen und dem (ungekürzten) Ergänzungsunterhalt, kommt es maßgeblich doch darauf an, dass diesem Ehegatten ausreichend Geldmittel zur Verfügung stehen, um seine Bedürfnisse jenseits des Wohnens angemessen befriedigen zu können; dabei ist aber auch sein Eigeneinkommen zu berücksichtigen.

 

Das Eigeneinkommen der Frau beträgt hier rund 600 EUR, der Ergänzungsunterhalt (ungekürzt) rund 240 EUR. Von diesen rund 800 EUR müssen der Frau rund drei Viertel, also rund 600 EUR in Geld zukommen. Da die Frau über ein Eigeneinkommen in dieser Höhe verfügt, hat sie keinen Anspruch auf (weiteren) Provisorialunterhalt.