OGH: Strafbestimmung gem § 255 AktG – Beauftragter
Beauftragter iSd § 255 AktG ist eine Person, die vom Vorstand, vom Aufsichtsrat oder vom Abwickler betraut ist, Informationen über die Gesellschaft zu geben, unabhängig von ihrer Stellung in der Gesellschaft
§ 255 AktG
GZ 5 Ob 146/11y, 16.05.2012
Zu § 255 AktG brachte der Revisionswerber vor, dass entsprechend zahlreicher Lehrmeinungen bereits rein faktische Handlungen zu einer Stellung als „Beauftragter“ und Normadressat iSd § 255 AktG führen und keine formelle Beauftragung nötig sei. Unabhängig von einer Stellung als Beauftragter iSd § 255 AktG begründe ein faktisches Zuwiderhandeln im Zusammenwirken mit einem Normadressaten die Haftung als Beitragstäter iSd § 255 AktG. Jeder, der eine der beschriebenen Tathandlungen ausführe, könne schon durch die Begehung solcher Handlungen ein mögliches Tatsubjekt werden. Im erstinstanzlichen Verfahren sei vorgebracht worden, dass der Erstbeklagte gemeinsam mit der Zweitbeklagten gegen § 255 AktG verstoßen habe, was jedenfalls seine Beitragstäterschaft gem § 12 StGB begründe.
OGH: Gem § 255 Abs 1 Z 1 AktG ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrates, Beauftragter oder Abwickler in Berichten, Darstellungen und Übersichten betreffend die Gesellschaft oder mit ihr verbundene Unternehmen, die an die Öffentlichkeit oder an die Gesellschafter gerichtet sind, die Verhältnisse der Gesellschaft oder mit ihr verbundener Unternehmen oder erhebliche Umstände, auch wenn sie nur einzelne Geschäftsfälle betreffen, unrichtig wiedergibt, verschleiert oder verschweigt. Unstrittig kann die Deliktsverwirklichung als Schutzgesetzverletzung auch schadenersatzrechtliche Ansprüche von Gläubigern oder Gesellschaftern nach sich ziehen.
Weil nach dem Wortlaut der Norm auch Beauftragte Normadressaten dieses Tatbestands sind, ist eine Beschäftigung oder sonstige Funktion des „Beauftragten“ innerhalb der Gesellschaft nicht vorausgesetzt. Beauftragter iSd § 255 AktG ist eine Person, die vom Vorstand, vom Aufsichtsrat oder vom Abwickler betraut ist, Informationen über die Gesellschaft zu geben, unabhängig von ihrer Stellung in der Gesellschaft. Nach Gelbmann (Strafrechtliche Absicherung der Corporate Governance, GesRZ 2003, 20 [28]) kämen gerade Mitarbeiter der Emissionsbank grundsätzlich als Beauftragte in Betracht.
Ob der Erstbeklagte nun tatsächlich als „Beauftragter“ im vorbeschriebenen Sinne anzusehen ist, kann hier aber solange dahingestellt bleiben, als nicht geklärt ist, ob die Anwendung des § 255 AktG grundsätzlich überhaupt in Betracht kommt, weil die M***** gerichtsnotorisch nicht eine österreichische Gesellschaft, sondern eine mit dem Sitz in Jersey ist und daher nicht zwangsläufig österreichisches Aktienrecht anzuwenden ist. Erst nach Klärung dieses Umstands ist eine Vertiefung der Prüfung der Beteiligtenstellung des Erstbeklagten möglich und erforderlich.