OGH: Zur Frage, ob ein negativer Ausspruch über eine von mehreren Gegenforderungen in einem Teilurteil gem § 391 Abs 3 ZPO zulässig ist
Wurde nach § 188 ZPO keine getrennte Verhandlung über die vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen angeordnet und sind im Verfahren die Klagsforderung und eine in keinem rechtlichen Zusammenhang iSd § 391 Abs 3 ZPO mit der Klagsforderung stehende Gegenforderung spruchreif, kann das Gericht mit Teilurteil über die Klagsforderung sowie über die Gegenforderung der Beklagten absprechen
§ 391 ZPO, § 188 ZPO
GZ 10 Ob 23/12y, 26.06.2012
Die Beklagte macht unter Berufung auf die Entscheidung 1 Ob 617/91 geltend, ein negativer Ausspruch über eingewendete Gegenforderungen in einem Teilurteil sei erst dann möglich, wenn alle Gegenforderungen geprüft worden seien und das Verfahren über alle Gegenforderungen spruchreif sei. Nach dem Wortlaut des § 391 Abs 3 ZPO könne in einem Teilurteil nur über den Klagsanspruch und nicht auch über einen Teil der Gegenforderungen erkannt werden.
OGH: Zweck der Erlassung eines Teilurteils ist es, durch die endgültige Erledigung eines Anspruchsteils den gesamten Rechtsstreit beschleunigt und konzentriert beenden zu können. Die dem Gericht im Rahmen der Prozessleitungsbefugnis eingeräumte Möglichkeit, den Entscheidungsstoff auch quantitativ durch Trennung und abgesonderte Verhandlung einzelner Ansprüche und Streitpunkte zu gliedern, bliebe ohne die Möglichkeit der Erlassung eines Teilurteils ergebnis- und zwecklos. Prozessökonomische Erwägungen stehen dabei im Vordergrund. Durch ein Teilurteil kann das Verfahren insofern übersichtlich gestaltet werden, als ein Teil des Anspruchs möglichst rasch und kostengünstig endgültig abgeschlossen wird. Ob die Voraussetzungen für eine solche Verfahrensbeschleunigung gegeben sind, ist nach Lage des Einzelfalls zu beurteilen. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens hängt die Entscheidung, ob ein Teilurteil gefällt werden soll, vom pflichtgebundenen Ermessen des Richters ab. Liegt Entscheidungsreife vor, so muss das Gericht grundsätzlich ein Teilurteil fällen.
Hat der Beklagte mittels Einrede eine Gegenforderung geltend gemacht, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhang steht, so kann, wenn nur die Verhandlung über den Klagsanspruch zur Entscheidung reif ist, über denselben durch Teilurteil erkannt werden. Die Verhandlung über die Gegenforderung ist ohne Unterbrechung fortzusetzen (§ 391 Abs 3 ZPO).
Der Beklagte kann auch mehrere Gegenforderungen zur eventuellen Aufrechnung einwenden, ohne die Reihenfolge der Aufrechnung bestimmen zu müssen (1 Ob 617/91). In dieser von der Revisionswerberin für ihren Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Entscheidung wurde weiters darauf hingewiesen, dass nach § 188 ZPO eine getrennte Verhandlung auch über die vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen angeordnet werden kann. Das Gericht habe dabei zu beachten, dass im Fall der Trennung der Verhandlung über mehrere Gegenforderungen - bei Feststehen der Klagsforderung - nur dann über die Gegenforderungen entschieden werden dürfe, wenn eine oder mehrere Gegenforderungen bis zur Höhe der Klagsforderung als zutreffend festgestellt werden. Ein negativer Ausspruch sei erst dann möglich, wenn alle Gegenforderungen geprüft und das Verfahren über alle Gegenforderungen spruchreif sei.
Diese in der zitierten Entscheidung 1 Ob 617/91 dargelegten Grundsätze können entgegen der Ansicht der Revisionswerberin schon deshalb nicht unmittelbar auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil im gegenständlichen Verfahren eine getrennte Verhandlung über die beiden von der Beklagten eingewendeten Gegenforderungen nicht angeordnet wurde. Es bildeten vielmehr die Klagsforderung und die beiden von der Beklagten eingewendeten Gegenforderungen den gemeinsamen Verhandlungsgegenstand. Es ist im vorliegenden Fall weiters unbestritten, dass gem § 391 Abs 3 ZPO über die Klagsforderung ein Teilurteil gefällt werden konnte, weil die von der Beklagten aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Klagsforderung stehen. Weiters stand im Berufungsverfahren die mangelnde Berechtigung der von der Beklagten eingewendeten Gegenforderung aus Lohnsteuernachzahlung unstrittig fest, während die Gegenforderung aus unrichtiger Spesenabrechnung iHv 4.236,68 EUR noch einer näheren Klärung bedarf. Da somit im Berufungsverfahren die Klagsforderung und die in keinem rechtlichen Zusammenhang iSd § 391 Abs 3 ZPO mit der Klagsforderung stehende Gegenforderung aus dem Titel der Lohnsteuernachzahlung spruchreif waren, hat das Berufungsgericht zutreffend mit Teilurteil über die Klagsforderung sowie über die aus dem Titel der Lohnsteuernachzahlung gestützte Gegenforderung der Beklagten abgesprochen und lediglich die Entscheidung des Erstgerichts über die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung aus unrichtiger Spesenabrechnung der Beklagten mangels Spruchreife aufgehoben. Diese Vorgangsweise des Berufungsgerichts steht nicht nur im Einklang mit dem oben dargelegten Zweck der Erlassung eines Teilurteils (Verfahrensökonomie), sondern auch mit der Rsp des OGH in vergleichbaren Fällen.
Im Rahmen der allseitigen rechtlichen Prüfungspflicht war allerdings wahrzunehmen, dass über die Gegenforderung nur bis zur Höhe der Klagsforderung abzusprechen ist. Es war daher der Ausspruch über das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung auf den Differenzbetrag zur Klagsforderung unter Berücksichtigung der noch zu prüfenden Gegenforderung zu beschränken.