01.10.2012 Zivilrecht

OGH: Scheidung der Ehe gem § 55 EheG und Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG

Eine einvernehmliche Gestaltung der Lebensführung kann selbst dann, wenn sie ungewöhnlich sein mag und im Ergebnis eine Entfremdung fördert, noch nicht einem Teil als Zerrüttungsverschulden angerechnet werden


Schlagworte: Familienrecht, Eherecht, Scheidung, Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, Zerrüttung, überwiegendes Verschulden, einvernehmliche Gestaltung der Lebensführung
Gesetze:

§ 55 EheG, § 61 EheG

GZ 8 Ob 37/12t, 13.09.2012

 

OGH: Für die Beurteilung, ob ein Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG zu fassen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger einen Scheidungstatbestand verwirklicht hat. Entscheidend ist nur, ob ihm eine Schuld an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist und ob, falls beiden Eheleuten ein Verschulden an der Zerrüttung vorzuwerfen ist, seine Schuld deutlich überwiegt. Für den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG genügt also das wesentlich geringgradigere Zerrüttungsverschulden, wobei das Gesamtverhalten der Ehegatten während der Ehedauer zu berücksichtigen ist.

 

Auch bei Aussprüchen nach § 61 Abs 3 EheG ist ein überwiegendes Verschulden nur dort anzunehmen und auszusprechen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Verschulden eines Teils überwiegt, ist aber insbesondere auch zu berücksichtigen, wer entscheidend und schuldhaft dazu beigetragen hat, dass die Ehe unheilbar zerrüttet wurde.

 

Eine einvernehmliche Gestaltung der Lebensführung kann selbst dann, wenn sie ungewöhnlich sein mag und im Ergebnis eine Entfremdung fördert, noch nicht einem Teil als Zerrüttungsverschulden angerechnet werden.