OGH: Zur Frage des Vorliegens eines schlüssigen Vertragsabschlusses bei fehlender Reparaturfreigabe durch eine beteiligte Versicherung
Wenn ein Fahrzeughalter (Eigentümer oder Verfügungsberechtigter) sein Fahrzeug unter Hinweis auf eine Beschädigung dem Inhaber einer Reparaturwerkstätte übergibt, so ist dies im Allgemeinen als Überlassung zur Reparatur und damit als unbedingter, schlüssiger Reparaturauftrag zu qualifizieren; in einem solchen Fall ist der Fahrzeughalter nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, den Werkstätteninhaber in eindeutiger Weise darauf aufmerksam zu machen, dass der Auftrag nur im Fall einer Kostenübernahme durch einen Dritten erteilt wird
§§ 1165 ff ABGB, § 863 ABGB
GZ 8 Ob 95/12x, 13.09.2012
OGH: Der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf eine konkrete Willenserklärung kommt regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu. Dementsprechend wird die Frage, ob der Eigentümer oder Verfügungsberechtigte (hier Leasingnehmer) eines Fahrzeugs einen Reparaturauftrag schlüssig erteilt hat, vom konkreten Erklärungsverhalten bestimmt. Eine fehlende Reparaturfreigabe durch einen Versicherer kann nur in diesem Rahmen Berücksichtigung finden. Die Frage nach den Auswirkungen einer fehlenden Reparaturfreigabe auf einen konkludenten Vertragsabschluss kann daher nicht abstrakt beantwortet werden.
Eine stillschweigende Erklärung kann in einer positiven Handlung oder in einem Unterlassen bestehen. Die Handlung oder Unterlassung muss nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, abändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind. Nach der Vertrauenstheorie ist nicht der Wille des Erklärenden, sondern das Verständnis des Erklärungsempfängers maßgeblich, wenn er die Erklärung so verstanden hat, wie sie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger verstehen durfte. Maßgebend ist der objektive Erklärungswert, der dem Erklärungsverhalten und den Begleitumständen beizumessen ist.
Wenn ein Fahrzeughalter (Eigentümer oder Verfügungsberechtigter) sein Fahrzeug unter Hinweis auf eine Beschädigung dem Inhaber einer Reparaturwerkstätte übergibt, so ist dies im Allgemeinen als Überlassung zur Reparatur und damit als unbedingter, schlüssiger Reparaturauftrag zu qualifizieren. In einem solchen Fall ist der Fahrzeughalter nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, den Werkstätteninhaber in eindeutiger Weise darauf aufmerksam zu machen, dass der Auftrag nur im Fall einer Kostenübernahme durch einen Dritten erteilt wird.
Zwischen dem Kläger und dem Vertreter der Beklagten war besprochen, dass mit der Reparatur bis zur Besichtigung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen des Versicherers zugewartet werden müsse. In dieser Situation erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe berechtigt von einem Reparaturauftrag durch den Kläger nach Besichtigung durch den Sachverständigen ausgehen dürfen, als nicht korrekturbedürftig. Nach den Feststellungen wurde der Kläger in der Abtretungserklärung zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für die Bezahlung der Reparaturkosten in vollem Umfang haftbar ist. Ein vom Kläger der Beklagten unterstellter Pflichtenverstoß liegt bei dieser Sachlage nicht vor.