OGH: Verwechslungsgefahr iSv § 10 Abs 1 Z 2 MSchG (iZm übernommene Zeichen)
Die im Wesentlichen unveränderte Übernahme einer Marke muss - anders als bei einer bloßen Aneinanderreihung - nicht zwingend bewirken, dass diese Marke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion behält; vielmehr kann sich hier - nach allgemeinen Grundsätzen - aus dem Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens ergeben, dass die Klagsmarke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion verloren hat, weil das Publikum die anderen Bestandteile wegen ihrer hohen Kennzeichnungskraft als eindeutigen Herkunftshinweis auffasst und das übernommene Zeichen demgegenüber in den Hintergrund tritt; dann bestünde auch keine Verwechslungsgefahr
§ 10 Abs 1 Z 2 MSchG, § 10a MSchG, Art 9 Abs 1 lit b GMV
GZ 4 Ob 138/12s, 18.09.2012
Im Kennzeichenstreit stehen einander die Warenausstattung der Beklagten (Wortbestandteil „Flügel“, Bildbestandteil eine als Comic-Figur gestaltete Ente mit weit geöffneten Augen und weit geöffnetem Schnabel) für ein alkoholisches Mischgetränk (verpackt in 20 ml Glasflasche) und die älteren Wortmarken der Klägerin „R***** verleiht Flüüügel“ und „...verleiht Flügel“ jeweils für einen (in Dosen verpackten) alkoholfreien Energy-Drink (mit dem Produkthinweis „nicht mit Alkohol mischen“) gegenüber.
Das Berufungsgericht hat die Produkte der Streitteile als „keinesfalls ident“ beurteilt, es bestehe infolge der unterschiedlichen Zusammensetzung der Getränke eine „nicht unerhebliche Warenverschiedenheit“. Da die Klägerin ihr Getränk unter dem bekannten Markennamen „R*****“ vermarkte, löse das in der Warenausstattung der Beklagten enthaltene Wort nur eine sehr lose Assoziation zu den genannten Wortmarken der Klägerin und deren Produkt aus, die noch keine Verwechslungsgefahr begründe.
OGH: Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Grundsätze höchstgerichtlicher Rsp, dass Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen ist. Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten und dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens den einzelnen Markenteilen zukommt. Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich daher nach dem Gesamteindruck, den Marken und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen, insbesondere bei Dienstleistungsmarken, regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt.
Die Klägerin macht geltend, der Wortbestandteil „Flügel“ besitze sowohl im Slogan als auch in der Verwendungsform der Beklagten eine selbständig kennzeichnende Stellung, was nach der Rsp des EuGH Verwechslungsgefahr begründe.
Der EuGH hat in seiner Entscheidung Thomson Life (Rs C-120/04) ausgeführt, es komme nicht darauf an, dass das übernommene Zeichen das Eingriffszeichen dominiere. Vielmehr könne bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum schon dann bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen registrierten Marke gebildet werde und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält.
Abgesehen davon, dass im Anlassfall keine identischen Waren vorliegen, hat der OGH schon ausgesprochen, dass die Argumentation des EuGH in der genannten Entscheidung aber nur greift, wenn die Zeichen (insbesondere Wortzeichen) tatsächlich aneinandergereiht, dh nebeneinander gesetzt werden, weil sie nur dann für das Publikum zumindest im Regelfall getrennt wahrnehmbar und damit typischerweise selbstständig kennzeichnend bleiben; nur diesen „Sonderfall“ erfasst die Argumentation des EuGH. Anderes muss gelten, wenn - wie hier - eine Bildmarke mit weiteren Bestandteilen verschmolzen wird. In diesem Fall wird das Publikum die einzelnen Bestandteile in der Regel nicht mehr als solche wahrnehmen, sondern das Zeichen als Einheit auffassen. Die im Wesentlichen unveränderte Übernahme einer Marke muss daher - anders als bei einer bloßen Aneinanderreihung - nicht zwingend bewirken, dass diese Marke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion behält. Vielmehr kann sich hier - nach allgemeinen Grundsätzen - aus dem Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens ergeben, dass die Klagsmarke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion verloren hat, weil das Publikum die anderen Bestandteile wegen ihrer hohen Kennzeichnungskraft als eindeutigen Herkunftshinweis auffasst und das übernommene Zeichen demgegenüber in den Hintergrund tritt. Dann bestünde auch keine Verwechslungsgefahr.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Anlassfall, die Warenausstattung der Beklagten sei nach ihrem Gesamteindruck weit von den Klagsmarken entfernt, ist im Lichte dieser Rsp nicht zu beanstanden.