22.10.2012 Zivilrecht

OGH: Luftschallschutzdämmung bei Errichtung eines Hauses – Gewährleistung iSd § 1167 ABGB iVm §§ 922 ff ABGB

Wurde eine Detailvereinbarung über das Ausmaß und die Ausgestaltung der Luftschallschutzdämmung nicht getroffen und sieht die maßgebliche Bauordnung kein besonderes Mindestluftschalldämmmaß vor, so ist das Werk so auszuführen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht


Schlagworte: Werkvertrag, Gewährleistung, Errichtung eines Hauses, Luftschallschutzdämmung, Übung des redlichen Verkehrs, anerkannte Regeln der Technik
Gesetze:

§§ 1165 ff ABGB, § 1167 ABGB, §§ 922 ff ABGB

GZ 3 Ob 143/12v, 19.09.2012

 

OGH: Eine Leistung ist nur dann mangelhaft iSd § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten, dh hinter dem Vertragsinhalt, zurückbleibt.

 

Bei einem Werkvertrag hat der Unternehmer das vertraglich geschuldete Werk herzustellen. Welche Eigenschaften das Werk aufzuweisen hat, ergibt sich in erster Linie aus der konkreten Vereinbarung, hilfsweise - soweit eine Detailvereinbarung nicht besteht - aus Natur und (erkennbarem) Zweck der Leistung, letztlich aus der Verkehrsauffassung, sodass das Werk so auszuführen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Das vom Unternehmer Geschuldete ist daher mittels Vertragsauslegung zu ermitteln. Bestimmen sich die Eigenschaften des Werks nach der Verkehrsauffassung, sind die anerkannten Regeln der Technik des jeweiligen Fachs nach dem im Zeitpunkt der Leistungserbringung aktuellen Stand zu beachten. Wie das Werk ausgeführt sein muss, damit es dem Stand der Technik entspricht, betrifft keine Rechtsfrage, sondern den Tatsachenbereich.

 

In der hier zu beurteilenden Vereinbarung sagte die Beklagte die Errichtung des Hauses nur pauschal und undifferenziert nach den einzelnen Gewerken „den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen entsprechend“ zu, was einer im Wesentlichen inhaltsleeren Floskel gleichkommt. Es ist überdies unstrittig, dass die maßgebliche Bauordnung für Wien für die gekuppelte Bauweise im Jahr 2007 kein besonderes Mindestluftschalldämmmaß für die Feuermauern vorsah. Eine Detailvereinbarung über das Ausmaß und die Ausgestaltung der im Revisionsverfahren allein noch strittigen Luftschallschutzdämmung wurde somit nicht getroffen, sodass das Werk in diesem Bereich so auszuführen war, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die geschuldete Luftschallschutzdämmung ist daher anhand der dafür anerkannten Regeln der Technik zu ermitteln.

 

Dazu steht fest, dass es dem Stand der Technik entspricht, bei gekuppelter Bauweise die beiden aneinander grenzenden Außenwände (= Feuermauern) schalltechnisch zu entkoppeln und mechanische Kontakte (= Schallbrücken) auszuschließen; bei Einhaltung dieser Bauweise ist vom Erreichen eines Mindestluftschallschutzes von 60 dB auszugehen. Nach der Verkehrsauffassung durften die Kläger daher annehmen, dass dieser Wert - unabhängig vom Inhalt einer Ö-Norm - aufgrund einer sach- und fachgerechten Entrichtung der Feuermauer des Hauses der Kläger einschließlich Entkopplung von der Feuermauer des Nachbarhauses erreicht wird, weshalb er auch als vereinbart gilt.

 

Dem Einwand der Beklagten, der sinngemäß lautet, die Errichtung der Feuermauer des Nachbarhauses sei nicht von ihrem Vertrag mit den Klägern umfasst, sodass ein dabei verursachter Mangel keine Verletzung des Vertrags zwischen den Streitteilen bewirke, ist Folgendes zu entgegnen.

 

Es steht fest, dass Schallbrücken mechanische Kontakte zwischen den angrenzenden Feuermauern sind und solche hier bestehen. Die Beklagte hat zugestanden, im Erdgeschossbereich sog Roststeine „durchgemauert“ zu haben, was zweifellos im Deckenbereich zu mechanischen Kontakten zwischen den beiden Gebäuden führte. Diese mussten im Zuge der - ebenso zugestandenen - gleichzeitigen Herstellung des Rohbaus beider Gebäude geschaffen worden sein. Deshalb sind diese Arbeiten auch der den Klägern geschuldeten Werkerstellung zuzuordnen. Damit stellen sie aber (auch) eine mangelhafte Erfüllung des mit den Klägern geschlossenen Werkvertrags dar, weil sie (Mit-)Ursache dafür sind, dass der als vereinbart geltende Mindestluftschallschutzwert in keinem der Geschosse des Hauses der Kläger erreicht wurde.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen vermag die Beklagte auch nicht, wesentliche Mängel des Berufungsurteils aufzuzeigen.

 

Der Ö-Norm 8115 kommt nämlich für die Beurteilung des von der Beklagten Geschuldeten keine Relevanz zu, sodass es auch unerheblich ist, für welche Bereiche sie den Stand der Technik wiedergab. Ebenso irrelevant ist die Frage, ob die Feuermauer im Haus der Kläger einen Schalldämmwert von 42 dB oder bis zu 59 dB erreicht, weil damit jedenfalls der vereinbarte Mindestwert von 60 dB unterschritten wird.