31.10.2012 Wirtschaftsrecht

VwGH: Vorschreibung weiterer Auflagen gem § 79 GewO

Eine rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung einer Auflage nach § 79 Abs 1 GewO ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen; eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer nachträglichen Auflage erübrigt sich, sofern ihr Ziel der Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung ist; dafür bedarf es allerdings entsprechender Feststellungen


Schlagworte: Gewerberecht, Betriebsanlagen, weitere Auflagen, rechtliche Unmöglichkeit, Verhältnismäßigkeit, Gesundheitsgefährdung
Gesetze:

§ 79 GewO, § 77 GewO

GZ 2007/04/0151, 26.09.2012

 

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Schutz der Anrainer und Nachbarn vor unzumutbaren Belästigungen durch Lärmemissionen der von der Bf betriebenen Betriebsanlage könne nur durch die vorgeschriebenen weiteren Auflagen (Errichtung einer Lärmschutzwand samt begleitender Kontrolle, Verbot des Laufenlassens von Verbrennungskraftmaschinen am Stand sowie des Betriebes von Kühlaggregaten) erreicht werden.

 

Dem hält die Bf zunächst entgegen, die belangte Behörde habe mit der Errichtung eines Flugdaches etwas angeordnet, was aus rechtlichen Gründen nicht möglich und bereits rechtskräftig abgewiesen worden sei.

 

VwGH: Damit behauptet die Bf eine rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung der nach § 79 Abs 1 GewO vorgeschriebenen Auflage. Nach der Rsp des VwGH ist die Vereinbarkeit von im gewerbebehördlichen Verfahren als Auflage vorgeschriebenen baulichen Maßnahmen mit baurechtlichen Vorschriften nicht als Vorfrage zu prüfen. Anderes gilt aber im Verfahren nach § 79 GewO zur Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen, da die Behörde gem dem zweiten Satz des § 79 Abs 1 GewO solche Auflagen nicht vorzuschreiben hat, wenn sie unverhältnismäßig sind, va wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung einer solchen Auflage wäre im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen (vgl zur hg Rsp betreffend die Verhältnismäßigkeit nach § 79 Abs 1 GewO weiter unten).

 

Im Beschwerdefall liegt die behauptete rechtliche Unmöglichkeit aber nicht vor:

 

Soweit die Bf in diesem Zusammenhang auf das abgewiesene Bauansuchen des Liegenschaftseigentümers im Rahmen der Sanierung der bestehenden Tankstelle verweist, das auch die Neuerrichtung eines Flugdaches umfasste, ist ihr zu entgegnen, dass das (damals) eingereichte Projekt von den Baubehörden - wie sich aus den vorgelegten Entscheidungen ergibt - als Neuerrichtung einer Tankstelle (und nicht als Änderung der bestehenden Tankstelle) beurteilt wurde, welchem Bauvorhaben die Bestimmung des § 13 Abs 2 lit b K-BO entgegenstand (während bei einer Änderung einer bereits bestehenden Tankstelle grundsätzlich eine Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 14 Abs 1 lit a Z 3 K-BO gegeben wäre - siehe dazu die im erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde A. vom 2. Mai 2001 wiedergegebene Stellungnahme des Amts der Kärntner Landesregierung, Unterabteilung Raumordnungsrecht). Vor diesem Hintergrund ist es daher nicht zu beanstanden, wenn sich die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen, sie hätte die baurechtliche Bewilligungsfähigkeit der vorgeschriebenen Schallschutzwände samt Überdachung abzuklären gehabt, nicht weiter eingegangen ist und auf die Stellungnahme des Amtsleiters der Marktgemeinde A. verwiesen hat, derzufolge die Bf mit der Erteilung der Baubewilligung für die verfahrensgegenständliche Schallschutzwand samt Überdachung rechnen könne.

 

Der Beschwerde kommt aber im Hinblick auf folgende Überlegungen Berechtigung zu:

 

Nach der Rsp des VwGH enthält die Bestimmung des § 79 GewO die gesetzliche Ermächtigung der Behörde für den Fall, dass das Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage abgeschlossen ist, mit den in diesem Verfahren vorgeschriebenen Auflagen aber nicht das Auslangen gefunden werden kann, um die im § 74 GewO umschriebenen Interessen hinreichend zu schützen, ungeachtet der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben. Sie ermöglicht es der Behörde, in bestehende Rechte einzugreifen, wobei es schon nach dem bloßen Wortlaut des § 79 GewO nicht darauf ankommt, worauf es zurückzuführen ist, dass nach der Genehmigung der Betriebsanlage die in Rede stehenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind, welche Umstände also eine Situation eintreten ließen, die die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung iS dieser Gesetzesstelle erforderlich machen. Insbesondere ist nicht Voraussetzung der Vorschreibung neuer oder anderer Auflagen nach § 79 leg cit, dass eine Änderung in dem dem Genehmigungsbescheid zu Grunde gelegenen Sachverhalt eingetreten ist.

 

Wie sich aus der Bezugnahme auf § 74 Abs 2 GewO ergibt, unterliegt die Beurteilung im Verfahren nach § 79 leg cit keinen anderen Voraussetzungen als im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage. Die Behörde hat daher die Auswirkungen der Betriebsanlage auf die Nachbarschaft zu beurteilen und zu prüfen, welche - anderen oder zusätzlichen - Auflagen erforderlich sind, um Gefährdungen oder - im Rahmen des § 79 Abs 2 GewO - unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn hintanzuhalten.

 

Wie der VwGH bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Jänner 1999, 98/04/0176, ausgeführt hat, ist unter der im § 79 Abs 1 GewO geforderten Verhältnismäßigkeit von Auflagen die Relation zwischen einerseits dem mit der Erfüllung der Auflagen verbundenen Aufwand und andererseits dem damit gewonnenen Ausmaß an Schutz der nach § 74 Abs 2 GewO wahrzunehmenden Interessen zu verstehen. Es entspricht weiters stRsp des VwGH, dass dann, wenn das Ziel einer Auflage dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient, der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen kann.

 

Im Beschwerdefall konnte sich die belangte Behörde auf die im Verfahren vor der BH eingeholten und im Berufungsverfahren ergänzten Sachverständigengutachten stützen, denen die Bf nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. Unter Zugrundelegung dieser Gutachten erachtete die belangte Behörde die Vorschreibung der zusätzlichen Auflagen durch die BH zur Wahrung der in § 74 Abs 2 GewO normierten Schutzinteressen als "zutreffend" und das Verbot des Betriebes von Kühlaggregaten auf dem Betriebsareal angesichts des Schutzes der Nachbarn vor Lärmbelästigungen nicht als unverhältnismäßig. Nähere Ausführungen zur Frage der Verhältnismäßigkeit fehlen jedoch.

 

Wie bereits dargestellt, erübrigt sich eine weitere Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer nachträglichen Auflage, sofern ihr Ziel der Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung ist. Dafür bedarf es allerdings entsprechender Feststellungen, die weder dem erstinstanzlichen noch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen sind. Der medizinische Sachverständige hat in seiner gutachtlichen Stellungnahme in der Verhandlung vom 2. August 2004 dargelegt, dass im Hinblick auf den Lärmsanierungsbedarf, der sich im vorliegenden Fall für die Nachtzeit herauskristallisiert habe, die sensible Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr maßgeblich sei. Nach Wiedergabe von für die Beurteilung wesentlichen Begriffsbestimmungen und Ausführungen zu Lärmmindermaßnahmen an verschiedenen Immissionsorten fasste der Sachverständige seine Ausführungen dahingehend zusammen: "Bei Umsetzung der zu fordernden Variante 3 des gegenständlichen Lärmminderungsprojektes kann aus humanmedizinischer Sicht abschließend festgestellt werden, dass gesundheitliche Auswirkungen auf die Nachbarn iSe gesunden, normal empfindenden Erwachsenen bzw Kindes durch die gegenständliche Betriebsanlage ebensowenig wie eine unzumutbare Belästigung zu erwarten sind." Diese Einschätzung wurde in weiterer Folge nur insofern eingeschränkt, als bei der gegebenen Sachlage mit der Variante 2 das Auslangen gefunden werden könne. Diese medizinische Beurteilung lässt zwar die Deutung zu, dass die vorgeschlagenen Lärmmindermaßnahmen dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dienen, doch haben sich die Behörden damit nicht auseinandergesetzt, vielmehr die Vorschreibung der nachträglichen Auflagen als notwendig zur Gewährung eines hinreichenden Schutzes der in § 74 Abs 2 GewO normierten Interessen erachtet. Dadurch, dass die belangte Behörde die für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer nachträglichen Auflage erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat (sekundärer Verfahrensmangel), hat sie schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

 

Soweit sich die Beschwerde gegen das in Auflagenpunkt 3 ausgesprochene Verbot des Betriebes von Kühlaggregaten auf dem Betriebsareal richtet, ist gleichfalls unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit festzuhalten, dass dieses undifferenzierte Verbot des Betriebs von Kühlaggregaten ohne nähere Begründung jedenfalls überschießend erscheint, wurden doch die Immissionen durch Kühlaggregate in dem zu Grunde liegenden schalltechnischen Gutachten bei Ermittlung des Ist-Zustandes berücksichtigt. Die belangte Behörde führt zu diesem Auflagenpunkt lediglich aus, die Wahrung der Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO stehe im Vordergrund und angesichts des Schutzes der Nachbarn vor Lärmbelästigungen könne nicht von einer Unverhältnismäßigkeit gesprochen werden. Eine nähere Begründung fehlt, diese wäre aber erforderlich gewesen, ist doch den Gutachten nicht zu entnehmen, dass zusätzlich zu den vorgeschlagenen baulichen Maßnahmen (Lärmschutzwand) weitere Maßnahmen, wie etwa das Verbot des Betriebes von Kühlaggregaten, notwendig wären, um die Grenzwertvorgaben des Sachverständigen für die Hintanhaltung einer Gesundheitsgefährdung zu erreichen. Diesbezüglich hat die belangte Behörde den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.