12.11.2012 Zivilrecht

OGH: Änderung des Wohnungseigentumsobjekts iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft

Nur wenn von vornherein feststünde, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde, etwa wegen nicht ausreichender Sicherheitsvorkehrungen, keinesfalls gerechnet werden kann, könnte das zur Abweisung eines Änderungsbegehrens führen; das ist bei Vorliegen einer Baubewilligung praktisch auszuschließen


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt, allgemein Teile der Liegenschaft, Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, Gefahr für die Sicherheit von Personen, Bewilligung der Baubehörde
Gesetze:

§ 16 Abs 2 WEG, § 52 WEG

GZ 5 Ob 97/12v, 12.06.2012

 

OGH: Nicht jede Beeinträchtigung von Interessen von Miteigentümern steht einer Änderung entgegen, sondern nur eine wesentliche, die die Interessen der Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass das Recht des Wohnungseigentümers auf Durchführung von Änderungen zurückzustehen hat. Bei einer derart vorzunehmenden Qualifikation besteht ein Ermessensspielraum und solange der Rechtsanwender diesen nicht überschritten hat, liegt im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage vor.

 

Die vom Rekursgericht für den Grad der Beeinträchtigung des Viertantragsgegners zu Grunde gelegte Maßgeblichkeit des Verhältnisses der unter dem Balkon liegenden Fläche mit der Gesamtfläche des Gartens ist bei der gegebenen Sachlage grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Hinweis des außerordentlichen Revisionsrekurses auf die Entscheidung 5 Ob 30/94 ist schon wegen der anders gelagerten Sachverhaltsgrundlage nicht zielführend. Dort kam es nämlich gerade nicht auf die Verhältnismäßigkeit der Flächen, sondern auf die besondere Qualität der durch eine Änderung in Anspruch genommenen Fläche an.

 

Die hier zu beurteilenden Feststellungen lassen eine nachvollziehbare Befürchtung dahin, dass mit der Balkonerrichtung eine Gefahr für die Sicherheit von Personen verbunden sein könne, nicht zu. Nur wenn von vornherein feststünde, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde, etwa wegen nicht ausreichender Sicherheitsvorkehrungen, keinesfalls gerechnet werden kann, könnte das zur Abweisung eines Änderungsbegehrens führen. Das ist bei Vorliegen einer Baubewilligung, an deren Inhalt das Begehren orientiert ist, praktisch auszuschließen. Ob die Antragstellerin den Balkon vor einer Bauvollendungsanzeige benützen darf, ist für die Frage der Genehmigungsfähigkeit ohne Belang.

 

Liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG vor und werden wie hier allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, muss die Änderung entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen.

 

Es trifft zu, dass die Antragstellerin sich auf ein eigenes wichtiges Interesse berufen hat und dass die von ihr für die Bejahung eines wichtigen Interesses herangezogenen Gründe der Steigerung des Wohn- und Verkehrswerts ihres Objekts nicht ausreichen. Die Vorinstanzen haben die Genehmigungsfähigkeit der Änderung aber ohnedies nicht mit einem wichtigen Interesse der Antragstellerin begründet.

 

Wie der Revisionsrekurswerber zutreffend ausführt, kommt es bei Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Änderung iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG nicht auf eine allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierten Baupraxis an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Hauses, des Umfelds, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie das Ausmaß der Inanspruchnahme oder Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist.

 

Dass alle diese Voraussetzungen hier in Anbetracht der getroffenen Feststellungen über die Gegebenheiten im Haus, der Wohnumgebung und die Geringfügigkeit des Eingriffs in die Bausubstanz gegeben sind, hat das Rekursgericht zutreffend erkannt.