19.11.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Bedarf das im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Aufgriffsrecht der Notariatsaktsform iSd § 76 Abs 2 GmbHG?

Für ein Aufgriffsrecht in der Satzung reicht die notarielle Beurkundung aus


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, GmbH, Satzung, Aufgriffsrecht, notarielle Beurkundung, Notariatsakt
Gesetze:

§ 76 GmbHG

GZ 6 Ob 81/11x, 14.09.2011

 

OGH: Der OGH hat in der ausführlich begründeten Entscheidung 6 Ob 63/10y ausgesprochen, dass für ein Aufgriffsrecht in der Satzung die notarielle Beurkundung ausreicht. Eine „doppelte Formvorschrift“ dahingehend, dass zusätzlich zur für die Satzungsänderung erforderlichen notariellen Beurkundung auch die Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG einzuhalten sei, wurde ausdrücklich abgelehnt.

 

Im Hinblick auf die Entscheidung 6 Ob 63/10y ist der Rechtsstandpunkt der beklagten Partei, dass auf formelle Satzungsbestandteile auch dann nicht die Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrags anzuwenden seien, wenn ein Aufgriffsrecht betroffen ist, überholt.

 

Soweit die beklagte Partei versucht, die Entscheidung 6 Ob 63/10y auf „echte“ statutarische Aufgriffsrechte zu beschränken, findet diese Einschränkung ebenso wie die Auffassung von Kraus in seiner Entscheidungsanmerkung (wbl 2011/125), der Parteiwille könne der Einordnung eines in die Satzung aufgenommenen Aufgriffsrechts als materieller Satzungsbestandteil entgegenstehen, in der Entscheidung keine Grundlage. Vielmehr spricht der OGH in der zitierten Entscheidung davon, dass es sich bei Aufgriffsrechten meist um materielle Satzungsbestandteile handle. Damit geht die Entscheidung aber implizit davon aus, dass die notarielle Beurkundung auch für bloß formelle Satzungsbestandteile ausreicht; dieser Grundsatz wird in der Entscheidung gerade nicht auf materielle Satzungsbestandteile beschränkt. Dadurch erübrigen sich auch mitunter heikle Abgrenzungsfragen.

 

Die in der Entscheidung 6 Ob 63/10y entwickelten Grundsätze gelten auch dann, wenn in die Satzung ein Aufgriffsrecht Dritter aufgenommen wird. Weder unter dem Aspekt der Verhinderung eines börseartigen Handels der Gesellschaftsanteile noch in Hinblick auf die übrigen Zwecke der Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG ist in diesem Fall die Einhaltung der Notariatsaktspflicht geboten.

 

Dass die Aufnahme eines solchen Gestaltungsrechts in die Satzung zulässig ist, ist in LuRsp völlig unbestritten. Zwar werden in der Praxis Vorkaufsrechte idR Mitgesellschaftern eingeräumt; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, derartige Rechtspositionen auch Dritten einzuräumen. Dies muss um so mehr dann gelten, wenn - wie sich aus der vorwegnehmenden Bezeichnung der C***** als „Gesellschafterin“ in der Satzungsänderung ergibt - schon bei Einräumung des Aufgriffsrechts vorgesehen ist, dass der betreffende Dritte unabhängig von der Ausübung des Aufgriffsrechts selbst Gesellschafterstellung erlangen soll.

 

Im Übrigen wäre, selbst wenn man iSd Rechtsstandpunkts der beklagten Partei die Satzungsbestimmung nicht als „echten“ (materiellen) Satzungsbestandteil versteht, sondern als bloße vertragliche Vereinbarung, daraus für die beklagte Partei nichts zu gewinnen, weil die Vereinbarung diesfalls als Vertrag zu Gunsten eines Dritten, nämlich der im Gesellschaftsvertrag bereits ausdrücklich angeführten C*****, sohin der klagenden Partei, zu verstehen wäre.

 

Die gegenständliche Satzungsbestimmung kann auch nicht als Vorvertrag iSd § 936 ABGB verstanden werden, sodass die Jahresfrist des § 936 Satz 2 ABGB im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle spielt.

 

Das Vorbringen der beklagten Partei, es fehle an einer Anspruchsgrundlage, übersieht, dass das Aufgriffsrecht der klagenden Partei in der Satzung statuiert ist. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über dieses Aufgriffsrecht noch nicht Gesellschafterin war, schadet nach dem Gesagten nicht. Das Vorbringen der beklagten Partei, wonach keine Vereinbarung zwischen der klagenden Partei und ihr vorliege, verkennt, dass die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei (S***** Holding GmbH) als übertragende Gesellschaft mit der beklagten Partei als übernehmende Gesellschaft verschmolzen wurde, sodass insoweit ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt.

 

Allerdings fehlen bisher Feststellungen zur Gesellschafterstruktur der Gesellschafter der H*****, sodass nicht beurteilt werden kann, ob der Ausschluss des Aufgriffsrechts in Art 12 Abs 13 der Satzung, wonach die Übertragung der Geschäftsanteile an bisherige Gesellschafter die Option nicht auslöst, zur Anwendung kommt.

 

Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat sich das Berufungsgericht im vorliegenden Fall auch nicht mit den anderen Einwendungen, insbesondere dem Einwand der Nichtigkeit gem § 879 ABGB wegen des starren Abtretungspreises und dem Einwand der laesio enormis (§ 934 ABGB) auseinandergesetzt.

 

Daher war in Stattgebung der Revision das angefochtene Urteil spruchgemäß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen. Dabei war zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen die Zurückweisung an das Berufungsgericht auszusprechen, zumal die erforderlichen ergänzenden Feststellungen voraussichtlich aufgrund von Urkunden (Firmenbuchauszügen) getroffen werden können.