OGH: Antrag gem § 16 Z 1 KartG nachträgliche Maßnahmen aufzutragen, um die durch die Entstehung bzw Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung entstandenen negativen Wirkungen des Zusammenschlusses abzuschwächen oder zu beseitigen – Antragsbefugnis von Mitbewerbern?
Es besteht de lege lata kein Grund, Unternehmer iSd § 36 Abs 4 Z 4 KartG von der Antragsbefugnis für Maßnahmen nach § 16 Z 1 KartG auszuschließen
§ 16 KartG, § 36 KartG
GZ 16 Ok 3/12, 11.10.2012
OGH: Das Kartellgesetz regelt Zusammenschlüsse in seinem dritten Abschnitt; dieser enthält auch die hier auszulegenden Bestimmungen über nachträgliche Maßnahmen.
Gem § 16 KartG kann das Kartellgericht nach der zulässigen Durchführung eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachträglich Maßnahmen auftragen, durch die die Wirkung eines Zusammenschlusses abgeschwächt oder beseitigt werden, wenn die Nichtuntersagung des Zusammenschlusses bzw der Verzicht auf einen Prüfungsantrag, die Unterlassung eines Prüfungsantrags oder die Zurückziehung eines Prüfungsantrags auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhen, die von einem beteiligten Unternehmen zu vertreten sind (Z 1), oder einer mit der Nichtuntersagung verbundenen Auflage zuwidergehandelt wird (Z 2).
Eine ausdrückliche Regelung der Antragsberechtigung enthält § 16 KartG - anders als § 11 KartG iVm § 36 Abs 2 KartG iVm § 36 Abs 2 KartG, der die Amtsparteien im Zusammenschlussverfahren zu einem Prüfungsantrag legitimiert - nicht.
Das Antragsprinzip im österreichischen Kartellrecht ist in § 36 KartG geregelt. Nach dessen Abs 2 sind zum Antrag auf Prüfung von Zusammenschlüssen (sowie zum Antrag auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern) nur die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt berechtigt.
§ 36 Abs 4 Z 4 KartG bestimmt, dass „in allen anderen Fällen“ auch jeder Unternehmer, der ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat, zum Antrag berechtigt ist.
Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ist die Antragslegitimation somit nur hinsichtlich des Antrags auf Prüfung von Zusammenschlüssen und auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern auf die Amtsparteien beschränkt, nicht hingegen in allen anderen Fällen (etwa von Anträgen nach § 16 KartG).
§ 36 Abs 2 KartG enthält daher eine Ausnahmeregelung, die die allgemeine Bestimmung über die Antragslegitimation einschränkt. Ausnahmebestimmungen sind nach der Rsp im Allgemeinen nicht ausdehnend auszulegen.
Auch im Schrifttum wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass alle nach § 36 KartG legitimierten Anträge über nachträgliche Maßnahmen nach § 16 KartG stellen können.
Parteien des Zusammenschlussverfahrens sind unstrittig nur die antragstellenden Unternehmen und die Amtsparteien. Behauptungen von unrichtigen oder unvollständigen Angaben iZm einer Zusammenschlussanmeldung können daher wohl in aller Regel von Verfahrensfremden, insbesondere Mitbewerbern, nicht gemacht werden. Es mag dieser praktischen Erfahrung entsprechen, dass die Regierungsvorlage einer KartG-Novelle 2012 die Antragslegitimation für nachträgliche Maßnahmen nach § 16 KartG nur für die Amtsparteien vorsieht.
Aus diesem Gesetzesvorhaben kann aber nach Auffassung des Senats noch nicht der Schluss gezogen werden, es sei ausgeschlossen, dass von den Zusammenschlusswerbern unabhängige Unternehmen - aus welchen Gründen immer - Kenntnis vom Inhalt einer Zusammenschlussanmeldung erhalten und damit in die Lage versetzt werden können, schlüssige Behauptungen über unrichtige und unvollständige Angaben in Zusammenschlussanmeldungen aufzustellen.
Es besteht daher de lege lata kein Grund, Unternehmer iSd § 36 Abs 4 Z 4 KartG von der Antragsbefugnis für Maßnahmen nach § 16 Z 1 KartG auszuschließen.