VwGH: Zustellung eines Entziehungsbescheides durch Hinterlegung (§ 17 ZustellG) – erneute Entziehung bei Lenken eines Kfz?
Die Behörde wäre jedenfalls wegen § 7 Abs 4 FSG verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob dem Bf beim Lenken des Kfz überhaupt bekannt war (bekannt sein musste), dass ihm die Lenkberechtigung entzogen worden ist
§ 25 FSG, § 26 FSG, § 7 FSG, § 17 ZustellG
GZ 2012/11/0106, 16.10.2012
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass dem Bf mit einem am 13. Jänner 2012 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid vom 10. Jänner 2012 die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen, "gerechnet ab Zustellung des Bescheides" - unter gleichzeitiger Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - entzogen worden war und dass der Bf am folgenden Tag, dem 14. Jänner 2012, um etwa 3.00 Uhr nachts ein Kfz gelenkt hat.
Die Beschwerde macht geltend, am Tag der Hinterlegung, einem Freitag, sei der Bf berufsbedingt (er sei Taxifahrer) ortsabwesend gewesen und habe vom Zustellversuch und dem Entziehungsbescheid selbst zunächst keine Kenntnis gehabt. Er habe an diesem Tag die hinterlegte Sendung nicht abgeholt und sie auch nicht abholen können (weil er erst abends Dienstschluss gehabt habe). Auch wenn gem § 17 ZustellG die Zustellung mit Hinterlegung wirksam geworden sei, müsse berücksichtigt werden, dass der Bf, selbst wenn er am Abend des 13. Jänner 2012 die Hinterlegungsanzeige gesehen habe, die hinterlegte Sendung erst am nächsten Werktag, Montag, 16. Jänner 2012, beheben hätte können. Über das gesamte Wochenende habe er vom Entziehungsbescheid keine Kenntnis erlangen können. § 7 FSG verlange für die Entziehung einer Lenkberechtigung nicht nur das Vorliegen einer bestimmten Tatsache iSd Abs 3, sondern erfordere auch deren Wertung anhand der Kriterien des Abs 4. Auch ausgehend davon, dass der Bf, wegen Wirksamkeit der Zustellung des Entziehungsbescheids schon ab 13. Jänner 2012, trotz entzogener Lenkberechtigung am 14. Jänner 2012 ein Kfz gelenkt habe, sei unter Berücksichtigung des Umstands, dass er von der Entziehung nichts gewusst habe, eine weitere Entziehung für drei Monate nicht rechtmäßig gewesen. Dem Bf könne nicht einmal ein Verstoß gegen pflichtgemäße Aufmerksamkeit und damit etwa fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden, zumal auch üblicherweise bei Hinterlegung am Freitag die Sendung erst am Montag abgeholt werde.
VwGH: Entgegen der von der belangten Behörde geäußerten Auffassung, es sei "müßig", "darüber zu philosophieren", warum der Bf die hinterlegte Sendung nicht behoben habe, wäre sie jedenfalls wegen § 7 Abs 4 FSG verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob dem Bf beim Lenken des Kfz am 14. Jänner überhaupt bekannt war (bekannt sein musste), dass ihm die Lenkberechtigung entzogen worden ist, zumal § 7 Abs 4 FSG explizit "die Verwerflichkeit" der die Entziehung der Lenkberechtigung begründenden bestimmten Tatsache als entscheidenden Parameter für die Wertung nennt.