OGH: Antrag auf Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels gem § 32 Abs 5 WEG 2002 iZm Aufzugsnutzung (hier: erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten für den Antragsteller und seine Patienten, weil die Liftstation nicht im Erdgeschoss, sondern im Hochparterre liegt, wo sich auch die Ordination des Antragstellers befindet)
Der nur untergeordneten Benützbarkeit ist nach billigem Ermessen dadurch Rechnung zu tragen, dass der Antragsteller zu 3/4 von der Tragung jener Kosten, die auf den Aufzug des Hauses entfallen, zu entlasten ist
§ 32 WEG 2002, § 52 WEG 2002, § 2 AußStrG
GZ 5 Ob 48/12p, 02.10.2012
Seit Errichtung des Hauses gibt es einen Lift, der vom Keller bis in das ausgebaute Dachgeschoss führt. Einstiegsstellen befinden sich im Keller, im Hochparterre und in den übrigen Stockwerken. Er kann von jedermann ohne Schlüssel benützt werden. Um den Lift zu verwenden, müssen jedenfalls Stufen überwunden werden. Zur Einstiegsstelle im Hochparterre gelangt man nach Passieren des Hauseingangstors über einen Stiegenaufgang mit drei und sodann neun weiteren Stufen, wozu insgesamt etwa 28 Schritte erforderlich sind. Ein zweiter Weg zum Lift führt durch den Hof, über zwei Stufen abwärts in den Keller zur dortigen Liftstation. Diesfalls sind etwa 40 Schritte erforderlich.
OGH: § 32 Abs 5 WEG ermöglicht es einem Wohnungseigentümer bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten eine rechtsgestaltende Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Eine derartige Entscheidung ist vom Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen, auf subjektive Bedürfnisse eines Wohnungseigentümers kommt es dabei nicht an.
Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die in § 32 Abs 1 WEG vorgesehene gesetzliche Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile dann zu unbilligen Ergebnissen führt, wenn ein oder mehrere Wohnungseigentümer an den die Aufwendungen betreffenden Anlagen nicht oder nur in erheblich untergeordnetem Ausmaß teilhaben.
Es entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rsp, dass dann, wenn die objektive Nutzungsmöglichkeit eines Personenaufzugs für einen Wohnungseigentümer erheblich hinter der Nutzungsmöglichkeit anderer Miteigentümer zurückbleibt, die Abänderung des Aufteilungsschlüssels gerechtfertigt ist. Aus der Entscheidung 5 Ob 255/04t geht der Grundsatz hervor, dass bei Wohnungseigentümern von Erdgeschosswohnungen grundsätzlich eine Reduzierung der anteilig mitzutragenden Liftkosten angezeigt ist, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können. In einem vergleichbaren Fall wurde zu 5 Ob 2423/96a ausgesprochen, dass bei einer baulichen Anordnung der Liftanlage mit Zugang im Halbstock für einen Wohnungseigentümer im Erdgeschoss die Nutzungsmöglichkeit nur sehr gering ist, wenn er einen Wasch- und Trockenraum mit dem Lift nur unter Überwindung von mehreren Stufen erreichen konnte. Nach Billigkeitsgrundsätzen führte das zu einer Befreiung des betreffenden Wohnungseigentümers um 4/5 der Liftkosten.
Die Annahme der Vorinstanzen, wonach hier erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten nicht vorlägen, widerspricht der dargestellten Rsp. Für den Antragsteller und seine Patienten besteht, weil die Liftstation nicht im Erdgeschoss, sondern im Hochparterre liegt, wo sich auch die Ordination des Antragstellers befindet, zunächst überhaupt keine sinnvolle Möglichkeit, den Lift zu benützen. Dass die Erreichbarkeit des Lifts über das Hochparterre für alle Wohnungseigentümer gleich (umständlich) ist, ist als Argument für nicht erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten untauglich, weil die anderen Hausbewohner dann den Lift benützen können, um zu ihren Objekten zu gelangen, während das Objekt des Antragstellers neben der Lifttüre liegt. Es bleibt also nur die Nutzungsmöglichkeit durch den Hof, den Abgang in den Keller zur Kellereinstiegsstelle, um dann ein Stockwerk zum Objekt des Antragstellers im Hochparterre zu überwinden. Da beim Kellereingang zwei Stufen zu überwinden sind, kann auch hier nicht von einem barrierefreien Zugang für Patienten die Rede sein; jedenfalls ist hier ein Weg von 40 Schritten durch den Hof über zwei Stufen abwärts den Kellergang entlang bis zur Aufzugstüre zurückzulegen. Im Vergleich zur Erreichbarkeit der Ordination des Antragstellers über die Stufen ins Hochparterre ist der Weg über den Keller kaum eine sinnvolle Alternative. Zuzugestehen ist, dass in Einzelfällen, etwa mit einem Kinderwagen oder mit Lasten, eine solche Verwendung doch sinnhaft sein kann, ebenso wie die Verwendung zum Abfalltransport vom Hochparterre zu den Abfallbehältern, wenngleich diese Möglichkeit auch nur einmal wöchentlich in Anspruch genommen wird. Dies ändert aber - entgegen der Beurteilung durch die Vorinstanzen - nichts an der nur erheblich eingeschränkten Nutzbarkeit des Lifts für den Antragsteller. Dieser nur untergeordneten Benützbarkeit ist nach billigem Ermessen dadurch Rechnung zu tragen, dass der Antragsteller zu 3/4 von der Tragung jener Kosten, die auf den Aufzug des Hauses entfallen, zu entlasten ist und diese sohin nur im Umfang von 1/4 zu tragen hat.
Durch Benennung des Hausverwalters als Erstantragsgegner im Verfahren über die Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels hat der Antragsteller diesen iSd § 2 Abs 1 Z 2 AußStrG in das Verfahren als Partei einbezogen. Eine materielle Berechtigung, einem Dritten gegenüber, der nicht Miteigentümer der Liegenschaft ist und daher zur Tragung der Aufwendungen der Liegenschaft auch nicht verpflichtet ist, einen abweichenden Verteilungsschlüssel feststellen zu lassen, besteht allerdings nicht. Mangels Passivlegitimation des Verwalters war das gegen ihn gerichtete Begehren abzuweisen und (nur) insoweit die Entscheidung der Vorinstanzen zu bestätigen.
Die Verfügung der Ersichtlichmachung dieser Entscheidung im Grundbuch gründet sich auf § 32 Abs 8 WEG.