14.01.2013 Strafrecht

OGH: Fortgesetzte Gewaltausübung gem § 107b StGB und Konkurrenz

Setzt der Täter neben den von § 107b StGB umfassten weitere Taten, die einem der in § 107b Abs 2 zweiter Fall StGB bezeichneten Anknüpfungstatbestände zu unterstellen - aber nicht vom § 107b Abs 1 StGB entsprechenden Vorsatz getragen - sind, bleibt kein Raum für die Annahme eines Scheinkonkurrenzverhältnisses, sodass der jeweils verwirklichte Tatbestand mit § 107b StGB echt konkurriert


Schlagworte: Fortgesetzte Gewaltausübung, Vorsatz, Scheinkonkurrenz, echte Konkurrenz
Gesetze:

§ 107b StGB, §§ 28 ff StGB

GZ 13 Os 71/12h, 18.10.2012

 

OGH: § 107b StGB trat mit 1. Juni 2009 in Kraft. Da nicht jeder wiederholte Angriff gegen ein Opfer dem Tatbestand des § 107b (hier: Abs 1) StGB zu subsumieren ist, sondern auch auf die Eingriffsintensität und die sonstigen Tatbegehungsmodalitäten mit Blick auf die konkrete Situation des Opfers Bedacht zu nehmen ist, sind insoweit zwecks rechtsrichtiger Subsumtion Konstatierungen zu den Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung zu treffen.

 

Gem § 107b Abs 2 StGB übt Gewalt iSv § 107b Abs 1 StGB aus, wer eine andere Person am Körper misshandelt (erster Fall) oder vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 StGB begeht (zweiter Fall).

 

Im zweiten Fall des § 107b Abs 2 StGB muss der Vorsatz des Täters daher - bei jedem Teilakt - sowohl dem Tatbestand des jeweiligen Anknüpfungsdelikts entsprechen als auch (iSd § 107b Abs 1 StGB) darauf gerichtet sein, längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt auszuüben.

 

Unter dem Aspekt allfälliger Konkurrenz zwischen § 107b Abs 1 StGB und einem der in § 107b Abs 2 zweiter Fall StGB bezeichneten Anknüpfungsdelikte enthält § 107b Abs 5 StGB eine Subsidiaritätsklausel dahin, dass mit strengerer Strafdrohung als § 107b StGB versehene strafbare Handlungen die in dieser Bestimmung zusammengefassten Tatbestände verdrängen.

 

Umgekehrt geht die Lehre einhellig davon aus, dass Anknüpfungsdelikte, die nicht von der Subsidiäritätsklausel des § 107b Abs 5 StGB umfasst sind, ihrerseits vom jeweiligen Tatbestand des § 107b StGB verdrängt werden. Insoweit kommt allein das Scheinkonkurrenzverhältnis der Spezialität in Betracht, weil allein fortgesetzte Gewaltausübung iSd § 107b Abs 2 zweiter Fall StGB die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des jeweiligen Anknüpfungsdelikts und überdies die Erfüllung der speziellen Merkmale des § 107b Abs 1 StGB verlangt.

 

Setzt der Täter hingegen neben den von § 107b StGB umfassten weitere Taten, die einem der in § 107b Abs 2 zweiter Fall StGB bezeichneten Anknüpfungstatbestände zu unterstellen - aber eben nicht vom § 107b Abs 1 StGB entsprechenden Vorsatz getragen - sind, bleibt kein Raum für die Annahme eines Scheinkonkurrenzverhältnisses, sodass der jeweils verwirklichte Tatbestand mit § 107b StGB echt konkurriert. Bei der Strafbemessung ist in solchen Fällen zu beachten, dass (in Relation zu einer Verurteilung hinsichtlich aller Taten - ausschließlich - nach § 107b StGB) zwar ein Erschwerungsgrund (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) hinzutritt, gleichzeitig aber dem Schuldspruch wegen des Vergehens (oder Verbrechens) nach § 107b StGB geringeres Gewicht zukommt (§ 32 Abs 3 StGB).

 

Auf die - ausschließlich über die subjektive Tatseite zu beantwortende - Frage, ob die von den Schuldsprüchen II und III umfassten Taten in den Subsumtionsbereich des § 107b Abs 1 StGB fallen (womit die jeweiligen Anknüpfungsdelikte verdrängt würden), wird im neuerlichen Rechtsgang besonderes Augenmerk zu legen sein.