28.01.2013 Zivilrecht

OGH: Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung

Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschende Gutes während dieser Zeit benötigte


Schlagworte: Dienstbarkeit, Dienstbarkeiten durch Ersitzung
Gesetze:

§§ 1452 ff ABGB, §§ 472 ff ABGB

GZ 3 Ob 119/12i, 08.08.2012

 

OGH: Der Ersitzungsbesitzer hat außer einer Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzers am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht, während der Gegner einen in deren Verlauf eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen hat, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich (oder) echt gewesen sei. Beim Erwerb von Dienstbarkeiten durch Ersitzung kann von der Natur und dem Zweck der „Bestellung“ im wörtlichen Sinn nicht gesprochen werden. Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es daher darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschende Gutes während dieser Zeit benötigte. Der Umfang des ersessenen Rechts lässt sich somit nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ermitteln.

 

Dass das Berufungsgericht aus den hier getroffenen Feststellungen, die im Gegensatz zu dem von den Beklagten vertretenen Standpunkt in ihrer Gesamtheit eine im Wesentlichen kontinuierliche und unbeanstandete Rechtsausübung über mehr als dreißig Jahre erkennen lassen, die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen einschließlich Pkws mit Anhänger ableitet, bildet keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dass mit land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen im Hinblick auf die festgestellte und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegte Bewirtschaftung eines Obstgartens mit zwölf bis sechzehn Obstbäumen keine großen und überschweren Forstbearbeitungsmaschinen gemeint sind, ergibt sich schon aus der zusätzlichen Erwähnung von Pkws mit Anhänger, welche gegenüber durchschnittlichen in der Landwirtschaft eingesetzten Traktoren üblicherweise geringere Belastungen des dienenden Grundstücks bewirken. Damit ist hinreichend deutlich klargestellt, dass die ersessene Dienstbarkeit das Befahren des abgegrenzten Teils des dienenden Grundstücks der Beklagten nur mit Fahrzeugen umfasst, welches für die Pflege der klägerischen Wiese samt Obstbäumen (einschließlich des gelegentlich erforderlichen Baumschnitts oder auch der notwendigen Entfernung eines einzelnen Baums) nötig ist.