12.02.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, wie die Entschädigung aus einer Feuerversicherung zu verzinsen ist, wenn der Versicherungsnehmer Unternehmer ist

Die gesetzlichen Zinsen nach § 352 UGB stehen erst ab der „Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen“ zu, was deren Fälligkeit voraussetzt; ab der Fälligkeit (§ 11 Abs 1 VersVG iVm Art 11 ABS 2008) ist der Zinsenanspruch nach § 94 VersVG subsidiär zu § 352 UGB; vor Fälligkeit der Entschädigungsleistung aus der Feuerversicherung besteht aber hier - allein - der Anspruch auf Zinsen iHv 4 % per anno nach § 94 Abs 1 VersVG


Schlagworte: Versicherungsrecht, Feuerversicherung, Entschädigung, Unternehmer als Versicherungsnehmer, Verzinsung, Fälligkeit, Verzug
Gesetze:

ABS 2008, § 94 VersVG, § 352 UGB, § 11 VersVG

GZ 7 Ob 202/12z, 19.12.2012

 

Art 11 der vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 2008) lautet auszugsweise:

 

„Zahlung der Entschädigung

1. Die Entschädigung ist erst nach ihrer vollständigen Feststellung fällig, jedoch kann einen Monat nach Anzeige des Schadens als Teilzahlung der Betrag verlangt werden, der nach Lage der Sache mindestens zu zahlen ist. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers die Entschädigung nicht ermittelt oder nicht gezahlt werden kann.

...“

 

Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 94 VersVG erfolgte weder im Versicherungsvertrag selbst noch in den ABS 2008.

 

Nachdem die Klägerin im November 2011 die Zahlung von Zinsen iHv 8 % über dem Basiszinssatz ab 1. 9. 2008 aus der letztlich von der Beklagten geleisteten Entschädigungsleistung einforderte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 21. 12. 2011, dass sie das Zinsenbegehren im Umfang von 4 % anerkenne und überwies in der Folge 9.077,64 EUR.

 

OGH: § 94 Abs 1 VersVG regelt (im Kapitel „Feuerversicherung“), dass die Entschädigung nach Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalls mit 4 vH für das Jahr zu verzinsen ist, soweit nicht aus besonderen Gründen eine weitergehende Zinspflicht besteht. Der OGH sprach dazu in der bereits von den Vorinstanzen angeführten Entscheidung 7 Ob 49/06s aus, dass § 94 VersVG subsidiär zu jenen Bestimmungen ist, in denen aus bestimmten Gründen eine andere Verzinsung vorgesehen ist, wie zB (früher) § 352 HGB oder § 1333 Abs 2 ABGB idF des ZinsRÄG, BGBl I 2002/118, der sich nunmehr - ohne inhaltliche Änderung - in § 352 UGB findet. Diese Entscheidung enthält keine Aussage dahin, dass bei der Verzögerung einer Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmensbezogenen Geschäften der gesetzliche Zinssatz nach § 352 UGB bereits ab dem in § 94 VersVG genannten Zeitpunkt zustünde.

 

§ 94 Abs 1 VersVG sieht für die Feuerversicherung eine Verzinsung von 4 % per anno nach Ablauf eines Monats nach der Anzeige des Versicherungsfalls - ohne Rücksicht auf die Fälligkeit des Anspruchs - vor, es sei denn, dass nach § 94 Abs 2 VersVG die Ermittlungen zur Schadensfeststellung durch ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erfolgen können. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll dies dem Versicherungsnehmer einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Dauer der Ermittlungen häufig von Zufällen abhängig ist und die Fälligkeit der Entschädigungsleistung deshalb gelegentlich für einen langen Zeitraum aufgeschoben werden kann. § 94 VersVG bietet somit einen Ausgleich dafür, dass gem § 11 Abs 1 erster Satz VersVG grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs erst mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und Leistungsumfangs nötigen Erhebungen eintritt, auf die der Versicherungsnehmer nur begrenzten Einfluss hat. In pauschalierter Form sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Versicherungsnehmer dadurch entstehen, dass er die ihm zustehende Versicherungssumme nicht alsbald nach dem Versicherungsfall erhält.

 

Die Zinspflicht nach § 94 Abs 1 VersVG ist nur an die Tatsache geknüpft, dass ein Versicherungsfall eingetreten, dass Anzeige erstattet worden und dass seitdem ein Monat verstrichen ist. § 94 VersVG ist dispositives Recht, das hier jedoch ohnedies nicht abbedungen wurde. Diese gesetzlich angeordnete Zinspflicht besteht ganz unabhängig von weiteren Verpflichtungen des Versicherers, Zinsen auf die Entschädigungsleistung zu zahlen. In Frage kommen hier andere gesetzliche Zinsen (zB § 352 UGB), vertraglich vereinbarte Fälligkeitszinsen und ein weitergehender (verschuldensabhängiger) Verzugsschaden des Versicherungsnehmers. Eine solche vertragliche Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen, auf einen über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehenden Verzugsschaden hat sich die Klägerin nicht berufen. Sie begehrt unabhängig von der Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs - soweit im Revisionsverfahren strittig - ab dem in § 94 Abs 1 VersVG genannten Zeitpunkt die gesetzlichen Zinsen nach § 352 UGB. Dafür findet sich im Gesetz aber keine Deckung.

 

§ 352 UGB ist gem § 907 Abs 18 UGB auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2006 geschlossen wurden. Dies trifft auf die im Jahr 2008 abgeschlossene Feuerversicherung zu. Nach § 352 erster Satz UGB beträgt bei Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen zwischen Unternehmern aus unternehmensbezogenen Geschäften der gesetzliche Zinssatz 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Damit wird unmissverständlich darauf abgestellt, dass Rechtsgrund der Forderung ein beiderseits unternehmensbezogenes Geschäft ist, wozu auch Leistungen aus Versicherungsverträgen zählen. Anders als § 94 VersVG, der nicht auf die Fälligkeit abstellt, setzen die von der Klägerin begehrten Zinsen nach § 352 UGB zumindest objektiven Verzug voraus.

 

§ 11 Abs 1 VersVG legt in seinem ersten Satz fest, dass Geldleistungen des Versicherers grundsätzlich mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig sind. Diese einseitig zwingende (§ 15a Abs 1 VersVG) Fälligkeitsbestimmung wird durch den die „Zahlung der Entschädigung“ regelnden Art 11 ABS 2008 konkretisiert, der in seiner Z 1 vorsieht, dass die Entschädigung „erst nach ihrer vollständigen Feststellung fällig“ ist. Diese Klausel ist im Fall, dass der Versicherer keine oder unnötige oder nicht sachdienliche Erhebungen anstellt, dahin auszulegen, dass für die Fälligkeit der Versicherungsleistung der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem die Erhebungen bei korrektem Vorgehen beendet gewesen wären. Das ergibt sich daraus, dass ein Abweichen von der Fälligkeitsbestimmung des § 11 Abs 1 VersVG unzulässig ist (§ 15a Abs 1 VersVG), wenn die Klausel zum Nachteil des Versicherungsnehmers der Vorgabe der „nötigen Erhebungen“ nicht entspricht. Zudem ist diese Versicherungsbedingung nach den maßgeblichen Vertragsauslegungsregeln aus dem Blickwinkel eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers gar nicht anders zu verstehen.

 

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen und der Klägerin stehen die gesetzlichen Zinsen nach § 352 UGB erst ab der „Verzögerung der Zahlung von Geldforderungen“ zu, was deren Fälligkeit voraussetzt. Ab der Fälligkeit (§ 11 Abs 1 VersVG iVm Art 11 ABS 2008) ist der Zinsenanspruch nach § 94 VersVG subsidiär zu § 352 UGB. Vor Fälligkeit der Entschädigungsleistung aus der Feuerversicherung besteht aber hier - allein - der Anspruch auf Zinsen iHv 4 % per anno nach § 94 Abs 1 VersVG.

 

Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der vom beklagten Versicherer zu erbringenden Geldleistung aus der Feuerversicherung fehlen Feststellungen, sodass die Berechtigung des Klagebegehrens noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Die Beklagte verwies zwar darauf, dass die Fälligkeit der Entschädigung am 15. 6. 2010 eingetreten sei, weil zu diesem Zeitpunkt die Entschädigung „vollständig“ festgestanden sei, brachte aber auch vor, dass sie anlässlich der Akontozahlung am 3. 7. 2009 die vermutliche Schadenshöhe erstmals ansatzweise einschätzen habe können. Die Klägerin unterließ dazu - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht - jegliches Vorbringen.

 

Die Parteien werden daher im fortgesetzten Verfahren Vorbringen zur Fälligkeit der Versicherungsleistung der Beklagten gem § 11 Abs 1 VersVG zu erstatten haben. Auf dieser Grundlage werden dann entsprechende Feststellungen zu treffen sein. Erst ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit stehen der Klägerin gem § 352 UGB gesetzliche Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu.