VwGH: Haftung nach § 11 BAO (iZm Abgabenhinterziehung)
Ein rechtskräftiges Strafurteil entfaltet bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt; die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen
§ 11 BAO
GZ 2010/16/0169, 24.01.2013
VwGH: Wie der VwGH in stRsp ausgeführt hat, entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen.
Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (im Beschwerdefall: bei der Umsatzsteuer) werden - bezogen auf ein Steuersubjekt - mit nacheinander erfolgter Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen mehrerer Veranlagungsjahre hindurch real konkurrierende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen. Solcherart bildet die Jahreserklärung zu einer Steuerart - allenfalls auch als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte - eine selbständige Tat iSd § 21 Abs 1 FinStrG. Ein Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), in dem mehrere gleichartige Finanzvergehen über mehrere Tatzeiträume bloß zusammengefasst werden, entspricht dem Wesen der vom Schuldspruch erfassten Tatbestände nicht und verfehlt solcherart den Zweck dieses Referats der entscheidenden Tatsachen, nämlich einer deklarativen und resümierenden Darstellung, auf welche Taten (im materiellen Sinn) sich der Schuldspruch bezieht.
Mag auch im Beschwerdefall das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz all diesen Anforderungen nicht gerecht werden, so entfaltet es dennoch eine Bindungswirkung, welche sich darauf erstreckt, dass der Gesamtbetrag an hinterzogenen Abgaben, für den gem § 11 BAO eine Haftung ausgesprochen werden kann, mit dem im Urteil genannten Betrag begrenzt ist und lediglich die Umsatzteuer für die drei dort genannten Jahre betreffen kann. Hinsichtlich einer Aufteilung dieses Gesamtbetrages auf die einzelnen Veranlagungsjahre entfaltet dieses Urteil keine Bindungswirkung. Solcherart ist es der Abgabenbehörde im Haftungsverfahren überlassen, den Haftungsbetrag im Rahmen des Gesamtbetrages auf die einzelnen Umsatzsteuerveranlagungsjahre aufzuteilen.
Es ist der belBeh einzuräumen, dass der vor ihr bekämpfte Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt in dieser Hinsicht fehlerhaft ist, weil eine solche Aufteilung darin nicht vorgenommen wurde und auch aus der Begründung nicht entnehmbar ist. Doch berechtigt dies die belBeh nicht zur ersatzlosen Aufhebung des Haftungsbescheides. Mit dem vor der belBeh bekämpften Bescheid des Finanzamtes war die Sache des Berufungsverfahrens auf die Haftung der Abgabenschuldigkeiten für die R-GmbH, nämlich für Umsatzsteuer 1999, 2000 und 2001 und mit dem Gesamtbetrag von 350.000 EUR begrenzt. Die belBeh hätte - gem § 289 Abs 2 BAO dazu befugt, innerhalb der oben bezeichneten Sache den vor ihr bekämpften Bescheid nach jeder Richtung abzuändern - ihrem Bescheid zwar keine anderen Zeiträume und keinen höheren Gesamtbetrag zu Grunde legen dürfen, eine genaue Festlegung des Haftungsbetrages und insbesondere eine Aufgliederung auf die einzelnen Veranlagungsjahre wäre der belBeh jedoch zugekommen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die belBeh nicht eine Aufteilung etwa iSd Berufungsvorentscheidung hätte vornehmen können. Das erwähnte Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz mit der oben dargestellten Bindungswirkung wäre dem nicht entgegengestanden.