19.03.2013 Zivilrecht

OGH: Amtshaftungsverfahren – zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wasserrechtsbehörde verpflichtet ist, bei notwendigen Instandhaltungsarbeiten an Wasserbenutzungsanlagen zum Schutz der Fischerei eine Restwasserdotierung vorzuschreiben

Ausführungen zu den Pflichten der Wasserrechtsbehörde


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Amtshaftung, Wasserrecht, Behörde, Pflichten, Fischereiberechtigter
Gesetze:

§ 1 AHG, §§ 1295 ff ABGB, § 122 WRG, § 50 WRG, § 138 WRG, § 32 WRG

GZ 1 Ob 252/12h, 31.01.2013

 

Im Oktober 2007 wurde das Bett des *****bachs ohne die (unstrittig) nach dem WRG erforderliche behördliche Genehmigung durch Reduktion des Durchflusses vorübergehend trocken gelegt, um Kleinkraftwerke zu warten und Müll sowie unwetterbedingt entstandene Abflusshindernisse zu beseitigen. Die Bachabkehr ohne Belassung von Restwasser führte zu einem massiven Fischsterben. Die Wasserrechtsbehörde war von Fischereiberechtigten zuvor von der Maßnahme informiert worden und dokumentierte sie während ihrer Durchführung.

 

Der klagende Fischereiberechtigte wirft der Wasserrechtsbehörde im vorliegenden Amtshaftungsverfahren vor, diese hätte die Bachabkehr ohne Belassung eines ausreichenden Restwassers nicht untersagt bzw die nötige Restwasserdotation nicht sichergestellt.

 

OGH: Voraussetzung für eine Haftung des beklagten Rechtsträgers wäre in diesem Fall, dass Organe der Wasserrechtsbehörde verpflichtet gewesen wären, die vom Kläger vermissten Maßnahmen zu setzen und diese Rechtspflicht schuldhaft verletzt hätten.

 

Der Kläger leitet diese Rechtspflicht der Behörde aus § 122 WRG sowie aus § 50 Abs 8 iVm § 138 WRG ab. Die Voraussetzungen für ein rechtswidriges (noch dazu schuldhaftes) Organverhalten vermag er aber in seinen Ausführungen nicht darzulegen.

 

Nach § 122 Abs 1 WRG können bei Gefahr im Verzug - zur Wahrung öffentlicher Interessen von Amts wegen, zum Schutz Dritter auf deren Antrag - erforderliche einstweilige Verfügungen erlassen werden. Gefahr im Verzug ist nach der Rsp des VwGH in einer Situation gegeben, die zur Abwehr einer bestehenden oder wahrscheinlichen Gefahr ein sofortiges behördliches Einschreiten erfordert. Inhalt einer einstweiligen Verfügung nach § 122 Abs 1 WRG darf jede Maßnahme sein, die zur Verringerung oder Vermeidung der Gefahr geeignet und nötig sowie in dieser Hinsicht nicht unverhältnismäßig ist.

 

§ 50 Abs 1 WRG verpflichtet die Wasserberechtigten ua, ihre Wasserbenutzungsanlagen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten, sowie die Gewässerstrecken im unmittelbaren Anlagenbereich instand zu halten. Sofern durch die Räumung oder Spülung von Kanälen, Stauräumen, Ausgleichsbecken und durch ähnliche Maßnahmen die Beschaffenheit von Gewässern beeinträchtigt wird, ist nach Abs 8 leg cit hiefür die wasserrechtliche Bewilligung nach § 32 WRG einzuholen.

 

Nach § 138 Abs 3 WRG hat die Wasserrechtsbehörde bei drohender Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt zur Wahrung des öffentlichen Interesses in den Fällen des Abs 1 die zur Beseitigung der Gefährdung notwendigen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

 

Der Kläger verkennt in seiner Argumentation die in diesem Fall gegebene Ausgangslage für ein Einschreiten der Wasserrechtsbehörde, die seiner Ansicht nach die Bachabkehr ohne Belassung von Restwasser hätte untersagen müssen. Nach dem festgestellten Sachverhalt war diese Trockenlegung eine notwendige und dem damaligen Stand der Technik entsprechende Maßnahme, um erforderliche Wartungs- und Reparaturarbeiten an Kleinkraftwerken durchzuführen sowie Müll und Abflusshindernisse zu beseitigen, die durch während Stürmen entwurzelte Bäume entstanden waren. Im Wohngebiet waren sturmgefährdete Baumreihen noch zahlreich vorhanden. Die Beseitigung dieser Gefahrenstellen war nur bei einem begeh- und befahrbaren Bachbett möglich. Umbauarbeiten, die einen Teil der durchzuführenden Beiseitigungs- und Wartungsarbeiten auch ohne Trockenlegung ermöglicht hätten, wären nur mit einem Kostenaufwand von 1,9 bis 2,9 Mio EUR möglich gewesen. Für die Durchführung dieser Arbeiten hätte der Zeitraum zwischen Kenntnis der Wasserrechtsbehörde von der geplanten Trockenlegung und deren Durchführung außerdem nicht gereicht.

 

Verpflichtende Maßnahmen der Wasserrechtsbehörde wären nach diesen Feststellungen allenfalls zur Abwendung von Gefahren indiziert gewesen, die aus Überschwemmungen als Folge von Abflusshindernissen oder (unter hier nicht zu prüfenden Voraussetzungen) aus einer Verletzung der Instandhaltungspflicht iSd § 50 Abs 1 WRG (unterlassene Reparatur und Wartung von Kleinkraftwerken) entstanden wären. Es ist daher in diesem konkreten Einzelfall kein unvertretbares Ergebnis seiner rechtlichen Beurteilung, dass das Berufungsgericht eine Rechtspflicht der Behörde, eine Bachabkehr mit Belassung von Restwasser sicherzustellen, verneinte. Fehlt es an der Rechtswidrigkeit des Organverhaltens, sind auch die Überlegungen des Revisionswerbers zu der Frage hinfällig, ob die Behörde in einem fiktiven, wie der Kläger selbst zugesteht, nur über Antrag einzuleitenden wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren eine ausreichende Restwasserdotation zur Vermeidung eines Fischsterbens aufgetragen hätte.