OGH: Zur Frage ob es sich bei Art 24 ABH 2004 um eine (verhüllte) Obliegenheit oder aber um eine Risikoabgrenzung handelt
Wiederherstellung in der Neuwertversicherung begründet weder eine Wiederherstellungspflicht noch eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sondern es werden iSe Risikoabgrenzung an das Vorliegen objektiver Tatbestandsmerkmale insofern Rechtsfolgen geknüpft, als die Leistung einer den Zeitwert übersteigenden Entschädigung davon abhängig gemacht wird, dass gesichert ist, dass die Entschädigung zur Wiederherstellung oder -beschaffung verwendet wird
Art 24 ABH 2004, § 56 VersVG, § 879 Abs 3 ABGB, § 885 ABGB, § 869 ABGB
GZ 7 Ob 227/12a , 18.02.2013
OGH: Durch die Wiederherstellungsklausel wird mittelbar Zwang auf den Versicherungsnehmer ausgeübt, der erst bei Sicherung der Wiederherstellung oder -beschaffung an die Versicherungssumme gelangt. Die Fälligkeit der Entschädigungsforderung ist bis dahin aufgeschoben.
Art 24 ABH 2004 regelt den Fall, dass durch das Zugrundelegen einer unrichtigen (zu geringen) Quadratmeteranzahl auch eine zu niedrige Höchsthaftungssumme ermittelt wird und daher die Entschädigung proportional - im Verhältnis der unrichtigen Quadratmeteranzahl - zu kürzen ist.
Damit stellt Art 24 ABH 2004 einen Fall der Unterversicherung dar. Die Anwendung der Bestimmung wird nicht von der Erfüllung vorvertraglicher oder vertraglicher Anzeigepflichten abhängig gemacht, sie erfolgt allein bei Abweichen der tatsächlichen Quadratmeteranzahl von der der Höchsthaftungssumme zugrunde gelegten.
Die Unterversicherung wird in § 56 VersVG geregelt. Danach liegt eine solche vor, wenn die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert ist. Bei der Unterversicherung ist der Versicherer nur im Rahmen der Proportionalitätsregel zum Ersatz verpflichtet. Er haftet für den eingetretenen Schaden nur im Verhältnis der Versicherungssumme zum Versicherungswert. Der Versicherungswert hat als leistungsbegrenzender Faktor im Zusammenhang mit der Unterversicherung eigenständige Bedeutung.
Im Unterschied zu § 56 VersVG sieht Art 24 ABH 2004 eine Kürzung der Entschädigung nicht im Verhältnis Versicherungswert zur Versicherungssumme, sondern im Verhältnis richtiger zu unrichtiger Quadratmeteranzahl vor.
Die in Art 24 ABH 2004 festgelegte Art der Kürzung der Entschädigung stellt keine Hauptleistung dar und unterliegt daher der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB.
Art 24 ABH 2004 regelt die Kürzung der Entschädigung ausschließlich nach dem Verhältnis der richtigen zu der unrichtigen Quadratmeteranzahl. Diese ist aber lediglich Ermittlungshilfe. Aus der Quadratmeteranzahl wird auf einen bestimmten Versicherungswert geschlossen, der in die Ermittlung der Versicherungssumme und damit letztlich auch in die Berechnung der Prämie einfließt. Über den tatsächlichen Versicherungswert sagt die Quadratmeteranzahl aber nichts aus, vielmehr wird ein Versicherungswert aufgrund einer bestimmten Quadratmeteranzahl lediglich vermutet. Die Bemessung der Höhe der Entschädigung für den Fall der Unterversicherung ausschließlich über die Ermittlungshilfe „Quadratmeteranzahl“ vorzunehmen, ist sachlich nicht gerechtfertigt und benachteiligt den Versicherungsnehmer gröblich. Diese Vorgehensweise stellt nämlich insoweit eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem in § 56 VersVG festgelegten Standard dar, den der Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten kann, als eine Unterversicherung ausschließlich aufgrund des Vorliegens einer unrichtigen Ermittlungshilfe „Quadratmeteranzahl“ angenommen wird, ohne aber den tatsächlichen Versicherungswert als Risikofaktor in Bezug zur prämienbildenden Versicherungssumme zu bringen.
Die Bestimmungen fordern vom Versicherungsnehmer keine Verhaltensweise, wie insbesondere die Bekanntgabe einer nachträglichen Vergrößerung der Nutzfläche, an deren Verletzung eine bestimmte Rechtsfolge, nämlich die - teilweise - Leistungsfreiheit geknüpft wird. Sie enthalten demnach keine Verhaltensanordnung, die nach den obigen Ausführungen ihrem Inhalt nach eine Obliegenheit ist.