22.04.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die beklagte Bank für das Fehlverhalten eines Mitarbeiters eines selbständigen Wertpapierdienstleisters einstehen muss, der die Kläger beraten und ihnen die Anlage vermittelt hat

Wird ein Vermögensberater von einem anderen Wertpapierdienstleister ständig mit der Vermittlung von bestimmten Anlageprodukten betraut, so entsteht dadurch ein wirtschaftliches Naheverhältnis, das es - ungeachtet einer eigenen vertraglichen Verpflichtung des Beraters gegenüber dem Kunden - rechtfertigt, ein Verschulden des Beraters nach § 1313a ABGB der Bank zuzurechnen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Anlageberatung, Bank, Anlageberater, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Vertriebspartner, Zurechnung, wirtschaftliche Nahebeziehung, Verschulden, Geschäftsbeziehung, ständige Betrauung, Gehilfenzurechnung, Irrtum, Geschäftsirrtum, Schadenersatz, Haftung der Bank, kundennähere Wertpapierfirma, Erfüllungsgehilfe, Naheverhältnis, objektive Beratung
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1313a ABGB, § 11 WAG 1997, § 19 WAG 1997, Art 20 MIFID

GZ 4 Ob 129/12t, 17.12.2012

OGH: Eine „wirtschaftliche Nahebeziehung“, die das Vertrauen der Bank auf eine einwandfreie Beratung durch ein kundennäheres Unternehmen ausschließt, ist schon dann gegeben, wenn dieses Unternehmen als „Vertriebspartner“ ständig mit der Vermittlung der Anlage betraut und so in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden ist.

Diese ständige Betrauung begründet zusammen mit der regelmäßig produkt- und umsatzabhängigen Provision die Gefahr, dass der Vermittler nicht mehr ausschließlich oder doch überwiegend im Interesse des Kunden tätig wird, sondern auch andere Erwägungen - insbesondere die Maximierung des eigenen Gewinns - in seine Tätigkeit einfließen lässt. Dies erfolgt im Interesse der Bank, die den Vertrieb ihrer Produkte vertraglich auslagert und so die Vorteile der Arbeitsteilung für sich in Anspruch nimmt. Zwar kann eine Bank im Allgemeinen darauf vertrauen, dass ein vom Kunden beigezogener Berater den Kunden ausreichend berät, sodass sie insofern keine eigenen Pflichten treffen und ihr (daher) auch ein allfälliges Verschulden des Beraters nicht zuzurechnen ist. Das gilt aber nur dann, wenn sie – insb bei einer Entlohnung des Beraters unabhängig von den vermittelten Produkten - auf eine objektive Beratung vertrauen darf. Letzteres trifft nicht zu, wenn der Berater - wie hier nach dem Vorbringen der Beklagten - mit der Bank in einer ständigen Geschäftsbeziehung steht („Vertriebspartner“), sein wirtschaftlicher Erfolg somit (auch) vom Ausmaß der Vermittlung ihrer Produkte abhängt und daher sein Interesse an der Vermittlung der Verträge grundsätzlich mit jenem der Bank an deren Abschluss parallel läuft. Ist ein Berater derart in die Interessenverfolgung der Bank eingebunden, bleiben deren Beratungspflichten mangels legitimen Vertrauens auf eine objektive Beratung durch einen Dritten aufrecht. Damit ist der Berater der Bank aber nicht nur irrtumsrechtlich zuzurechnen, sondern die Bank haftet auch für Schäden aufgrund von dessen Verhalten bei der Vermittlung der Anlage. Eine dies ausschließende Vertragsklausel in AGB wäre wegen der Abweichung vom dispositiven Recht, aber auch wegen der damit verbundenen Überwälzung des Insolvenzrisikos gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 ABGB.