OGH: Zu den Voraussetzungen einer Anfechtung eines Gesellschafterausschlusses nach dem GesAusG
Bei der Beschlussanfechtung ist die Relevanztheorie anzuwenden; entscheidend für die Anfechtbarkeit ist der Zweck der jeweiligen Verfahrensbestimmungen; nur wenn durch die Verletzung ein konkretes Informations- oder Partizipationsinteresse eines Aktionärs verletzt wurde, begründet dies die Anfechtbarkeit
GesAusG, AktRÄG 2009, § 195 Abs 4 Satz 1 AktG, § 118 Abs 3 AktG, § 1 Abs 2 Satz 1 GesAusG, § 6 GesAusG, § 3 Abs 1, 3 und 5 Z 4 GesAusG
GZ 6 Ob 210/12v, 31.01.2013
OGH: Die Beurteilung, ob eine Verletzung des Auskunfts- und Rederechts in der HV vorliegt, und ob diese so schwerwiegend ist, dass sie zur Anfechtung berechtigt, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen.
Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs 2 Satz 1 GesAusG ist Hauptgesellschafter, wem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Anteile in Höhe von mindestens 9/10 des Nennkapitals gehören. Demgemäß entspricht es auch der hL, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Beteiligungshöhe derjenige der Beschlussfassung ist.
Soweit in der Literatur verlangt wird, dass der Hauptgesellschafter bereits im Zeitpunkt des Verlangens des Gesellschafterausschlusses nachweist, dass er die erforderlichen Anteile im Zeitpunkt der Beschlussfassung halten wird, will dies dem Interesse der Gesellschaft Rechnung tragen, dass nur solche Ausschlussbegehren gestellt werden, denen aufgrund der erforderlichen Beteiligungsgrenze eine entsprechende Realisierungschance zukommt.
Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Interessenabwägung zwischen Hauptgesellschafter und Minderheitsaktionär spielt es keine Rolle, ob die Beteiligungsgrenze bereits vor oder erst im Zeitpunkt der Beschlussfassung erreicht wird, weil durch das Erfordernis einer im Beschlusszeitpunkt vorliegenden Mehrheit die Interessen der Minderheitsaktionäre ausreichend gewahrt sind.
Der Ausschlussbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung iSv Erforderlichkeit, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit, sondern der Gesetzgeber nimmt selbst die erforderliche Interessenabwägung vor und lässt den voraussetzungslosen Ausschluss gegen angemessene Kompensation zu.
Die Anfechtung des Beschlusses kann nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gem § 3 GesAusG den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen.
Weil der Gesetzgeber mit dem GesAusG bereits die Interessenabwägung zwischen dem Hauptgesellschafter und den Minderheitsaktionären vorgenommen hat, ist der Gesellschafterausschlussbeschluss auch nicht an den Kriterien des Rechtsmissbrauchs oder der Treuwidrigkeit zu prüfen, weil damit die gesetzliche Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses konterkariert würde.
Eine Anfechtung eines Ausschlussbeschlusses wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit wäre vielmehr nur dann möglich, wenn gerade die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt würden.