OGH: Strafbare Handlung iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG
Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Voraussetzung für die gerichtliche Geltendmachung des Kündigungsgrundes
§ 30 Abs 2 Z 3 MRG
GZ 4 Ob 124/12g, 02.08.2012
OGH: Eine strafbare Handlung ist, auch wenn sie kein Verbrechen darstellt, grundsätzlich ein Kündigungsgrund. Der Kündigungsgrund der strafbaren Handlung wird bereits durch die strafbare Handlung an sich verwirklicht. Es darf sich allerdings nicht um nach den Umständen geringfügige Fälle handeln.
Versuchter schwerer Betrug ist ein Eigentumsdelikt iSd genannten Kündigungsgrundes; eine Differenzierung zwischen den „klassischen Eigentumsdelikten“ wie Diebstahl etc und der Untreue nach § 153 StGB ist im Lichte des genannten Kündigungsgrundes nicht gerechtfertigt.
Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht Voraussetzung für die gerichtliche Geltendmachung des Kündigungsgrundes. Der Zivilrichter hat in jedem Fall die Tatbestandsmäßigkeit des behaupteten Verhaltens des Mieters selbst zu prüfen.
Daraus, dass ein Ermittlungsverfahren gegen die Beklagten gem § 190 Z 2 StPO eingestellt worden ist, kann - entgegen der Argumentation im Rechtsmittel - weder der Schluss gezogen werden, dass die diesem Verfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht, noch dass sonst eine Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre (vgl § 190 Z 1 StPO). Eine solche Entscheidung entfaltet auch keine Bindungswirkung im Kündigungsstreit (vgl RIS-Justiz RS0106015; 8 ObA 218/99p zur bloßen Einstellung nach § 90 StPO durch die Staatsanwaltschaft; zur fehlenden Bindungswirkung freisprechender Strafurteile siehe 6 Ob 18/09d mwN).
Das Berufungsgericht ist von dieser Rsp nicht abgewichen, wenn es den Beklagten betrügerisches Verhalten zur Last gelegt und den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG bejaht hat. Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite haben die Tatsacheninstanzen in ausreichendem Umfang getroffen. Es steht auch fest, dass der Vermieter durch das Verhalten der Beklagten an seinem Vermögen geschädigt wurde.
Ob die Voraussetzungen einer Geringfügigkeit vorliegen, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab. Dass der Störwert der Tat als gering anzusehen oder eine Verfolgung aus spezialpräventiven Gründen entbehrlich wäre (vgl § 191 StPO, zuvor § 42 StGB), kann schon deshalb nicht gesagt werden, weil der Drittbeklagte schon einmal eigenmächtig eine Verbindung zwischen den Nachbarhäusern herstellen hat lassen, die der Bauordnung widersprach; dass das Einverständnis der übrigen Beklagten im Familienverbund dazu gefehlt hätte, steht nicht fest. Auch war allen drei Beklagten bewusst, dass sich im Falle einer Verbindung zwischen den Häusern der Mietzins erhöht und sie zu den Erhaltungspflichten des Aufzugs beitragen müssen. Schließlich wurde der Kläger der Gefahr einer verwaltungsbehördlichen Strafe ausgesetzt, weil der Steg in der ausgeführten Form verwaltungsbehördlich nicht genehmigt war.