06.05.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: § 1 Abs 6 Z 2 IESG – zur Frage, inwieweit eine Stimmrechtsbindung aufgrund eines allseitigen Syndikatsvertrags der Annahme eines nach den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Mehrheitserfordernissen zu bejahenden beherrschenden Einflusses entgegensteht

Außerhalb des Gesellschaftsvertrags liegende Einschränkungen der Einflussmöglichkeiten von Gesellschaftern sind unbeachtlich; es kommt auf die mit der Gesellschafterstellung typischerweise verbundenen Einfluss- und Informationsmöglichkeiten an, nicht aber auf allfällige Gründe für die mangelnde Ausübung dieser Möglichkeiten


Schlagworte: Insolvenz-Entgelt, Gesellschafter, beherrschender Einfluss, Syndikatsvertrag, Stimmrechtsbindung
Gesetze:

§ 1 IESG

GZ 8 ObS 1/13z, 05.04.2013

 

OGH: Nach stRsp ist der Tatbestand des beherrschenden Einflusses iSd § 1 Abs 6 Z 2 IESG nicht nur dann erfüllt, wenn der Gesellschafter kraft seines Beteiligungsverhältnisses als Mehrheitsgesellschafter die Beschlussfassung in der Generalversammlung im Wesentlichen allein bestimmen kann, sondern auch dann, wenn er über einen Anteil verfügt, der ihn in die Lage versetzt, eine solche Beschlussfassung in der Generalversammlung zu verhindern. Dass demgemäß das Einstimmigkeitserfordernis in wesentlichen Angelegenheiten einen in diesem Sinn beherrschenden Einfluss vermittelt, hat der OGH bereits ausgesprochen.

 

Auch mit der Frage, was als „wesentliche Angelegenheit“ iS dieser Rsp anzusehen ist, hat sich der OGH bereits auseinandergesetzt. So bestanden im zu 8 ObS 9/09w entschiedenen Fall besondere Mehrheitserfordernisse für die Beteiligungen an anderen Unternehmen und Gesellschaften, für die Veräußerung und Verpachtung des Unternehmens, für die Auflösung der Gesellschaft, für Beschlüsse über Kapitalerhöhungen, für den Verzicht auf Prüfung des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer, für die Gewinnverteilung, für die Anstellung von Personen mit einem Jahresgehalt von über 43.603,70 EUR, für Gehaltsänderungen der Gesellschafter und für Investitionen über 5.000 EUR netto. Wenngleich dieser Katalog von den hier im Gesellschaftsvertrag aufgezählten Angelegenheiten im Detail abweicht, sind doch die hier im Gesellschaftsvertrag erfassten Angelegenheiten - auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass für die Gewinnverteilung im vorliegenden Fall ohnehin eine fixe Regelung im Gesellschaftsvertrag vorgegeben war - durchaus mit den der Vorentscheidung zugrunde liegenden Regelung vergleichbar.

 

Zu beurteilen bleibt daher die Frage, welche Bedeutung der außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossenen Syndikatsvereinbarung der Gesellschafter zuzumessen ist. Der OGH hat bereits in vergleichbaren Fällen außerhalb des Gesellschaftsvertrags liegende Einschränkungen der Einflussmöglichkeiten von Gesellschaftern als unbeachtlich erachtet. Er ist in stRsp davon ausgegangen, dass es auf die mit der Gesellschafterstellung typischerweise verbundenen Einfluss- und Informationsmöglichkeiten ankommt, nicht aber auf allfällige Gründe für die mangelnde Ausübung dieser Möglichkeiten. Gerade der Umstand, dass der Ausschlusstatbestand auch solche Arbeitnehmer erfassen soll, die die Anteile bloß treuhändig halten, zeigt, dass das Innenverhältnis, das für den Außenstehenden, insbesondere auch die IEF-Service GmbH, regelmäßig schwer nachvollziehbar ist, insoweit nicht für die Einschränkung des Ausschlusstatbestandes ausreicht. Schließlich hat der Gesetzgeber doch beide Fälle der Treuhand von der Bezugsberechtigung ausgeschlossen, also sowohl den Treugeber, der bloß intern verfügen kann, als auch den Treuhänder, der nach außen berechtigt ist. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil einerseits auch der intern gebundene Treuhänder nach außen eine wesentliche Rechtsposition hat und andererseits die Einschränkung der Verfügungsmacht auch nicht entsprechend dokumentiert ist und deshalb eine höhere Anfälligkeit für Missbräuche durchaus plausibel ist.

 

Art 12 der RL 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers lässt nicht nur generell notwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Missbräuchen zu (lit a), sondern anerkennt auch in seiner lit c) ausdrücklich, dass Einschränkungen der Ansprüche daraus resultieren können, dass ein Arbeitnehmer allein oder zusammen mit engen Verwandten Inhaber eines wesentlichen Teils des Unternehmens oder Betriebs des Arbeitgebers war und beträchtlichen Einfluss auf dessen Tätigkeit hatte.

 

Die konkrete Beurteilung des Vorliegens eines Ausnahmetatbestands iSd Art 12 der Richtlinie hat durch die Gerichte der Mitgliedstaaten zu erfolgen. Allerdings dürfen dabei die Zwecke der Richtlinie nicht vereitelt werden.

 

Hier war Inhaber des Betriebs die GmbH. Auf deren Agieren hatte der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag maßgeblichen Einfluss. Warum es unter dem Blickwinkel der Richtlinie nicht zulässig sein sollte, auf diese öffentlich dokumentierte gesellschaftsrechtliche Stellung abzustellen, wird vom Kläger nicht näher dargelegt. Es wäre den Parteien des Gesellschaftsvertrags ja jederzeit offengestanden, die öffentlich dokumentierten Regelungen des Gesellschaftsvertrags etwaigen tatsächlich gewollten Einschränkungen der Einflussmöglichkeiten des Klägers anzupassen. Dass auf weitere, im Gesellschaftsvertrag nicht dokumentierte vertragliche Abhängigkeiten, die die gesellschaftsrechtliche Stellung wieder einschränken - hier auf den Syndikatsvertrag - nicht Bedacht genommen wird, ist keine Maßnahme, die den Zweck der Richtlinie vereiteln könnte.