20.05.2013 Wirtschaftsrecht

OGH: Irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 UWG iZm Werbung mit „naturbelassenen“ Produkten

Es bildet keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht den in der Werbung hervorgehobenen Gegensatz zu synthetischen Vitaminen als irreführend betrachtet, wenn tatsächlich eine in der Natur nicht vorkommende weit überhöhte Konzentration an Vitaminen dadurch erreicht wird, dass synthetische Vitamine einer Nährlösung beigegeben werden, welche auf das Produkt einwirkt und dessen Vitamingehalt in die Höhe treibt


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, irreführende Geschäftspraktiken, Werbung, naturbelassenes Produkt, Umweltschutz
Gesetze:

§ 2 UWG, § 1 UWG

GZ 4 Ob 44/13v, 17.04.2013

 

OGH: Der OGH hat erst kürzlich seine Rsp bekräftigt, dass Aussagen über die Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit eines Erzeugnisses in hohem Maße geeignet sind, den Kaufentschluss zu beeinflussen. Die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen zur Irreführung geeignet ist, ist daher ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Lässt die Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende nach stRsp die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen.

 

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts steht auch mit der Rsp im Einklang, dass nicht von einem „naturbelassenen“ Produkt gesprochen werden könne, wenn das Produkt - wie das Sauerkraut im Fall der Entscheidung 4 Ob 316/86 - chemisch behandelt wurde, um es haltbar zu machen. Gleiches muss auch dann gelten, wenn zwar nicht das Endprodukt, aber ein Zusatzstoff chemisch behandelt wurde, um eine im unbehandelten Zustand nicht gegebene, für das Produkt aber notwendige oder jedenfalls gewünschte Eigenschaft zu erhalten. Es bildet keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht den in der Werbung hervorgehobenen Gegensatz zu synthetischen Vitaminen als irreführend betrachtet, wenn tatsächlich eine in der Natur nicht vorkommende weit überhöhte Konzentration an Vitaminen dadurch erreicht wird, dass synthetische Vitamine einer Nährlösung beigegeben werden, welche auf das Produkt einwirkt und dessen Vitamingehalt in die Höhe treibt. Auch für die in diesem Fall maßgeblichen Weiterverarbeiter liegt es nahe, die Beigabe von synthetischen Vitaminen oder auch Spurenelementen zu einem Produktionsprozess nicht zu vermuten, wenn ein Produkt als „natürlich“ beworben wird.

 

Es mag zutreffen, dass die von den Beklagten angesprochenen Abnehmer ein Produkt erwarten, dass gegenüber herkömmlichem Keimlingsmehl erhöhte Vitaminkonzentrationen enthalte, um daraus Vitaminpräparate herstellen zu können. Die beanstandete Werbung mit „natürlich“, „natürliche Buchweizenkomplexe“ oder dem Gegensatz zu synthetischen Vitamin-B-Komplexen erweckt aber unzutreffende, im Hinblick auf das hohe Interesse an „natürlichen“ Produkten für die Kaufentscheidung relevante unrichtige Vorstellungen über den Herstellungsprozess, bei dem entgegen dem vermittelten Eindruck sehr wohl synthetische Vitamine zur Zielerreichung eingesetzt werden.