OGH: Zur Frage des Umfangs der Nachforschungspflicht beim Erwerb einer Liegenschaft hinsichtlich einer Garage mit mehreren Stellplätzen im Hinblick darauf, dass Wohnungseigentum an einzelnen Stellplätzen erst mit der Wohnrechtsnovelle 2002 möglich geworden ist und zuvor diverse Konstruktionen geschaffen wurden, um einem Wohnungseigentümer ein ausschließliches Nutzungsrecht an einzelnen Stellplätzen einzuräumen
Die Wahrnehmbarkeit äußerer Anzeichen für das Bestehen einer allfälligen Dienstbarkeit und - damit zusammenhängend - die Frage nach einer allfälligen Erkundigungspflicht des Käufers einer Liegenschaft, dem deren Lastenfreiheit zugesichert wurde, können nur nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden
§ 1500 ABGB, §§ 472 ff ABGB, WEG 2002
GZ 6 Ob 73/13y, 08.05.2013
Im vorliegenden Fall sind die Parteien und die Vorinstanzen unstrittig davon ausgegangen, der Kläger habe an einem Garagenstellplatz außerbücherlich eine Dienstbarkeit, nämlich ein Fruchtgenussrecht, erworben. Es geht daher nur mehr um die Frage, ob der Beklagte als Erwerber der Tiefgarage, in der sich der Stellplatz des Klägers befindet, im Hinblick auf eine Lastenfreiheit betreffend den gegenständlichen Stellplatz gutgläubig war und so das Fruchtgenussrecht des Klägers erlöschen konnte.
Die Vorinstanzen haben die Gutgläubigkeit des Erwerbers der Tiefgarage hinsichtlich der Lastenfreiheit betreffend den Stellplatz des Klägers verneint.
OGH: Eine nicht verbücherte, nicht offenkundige Dienstbarkeit erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks. Die Berufung auf die Gutgläubigkeit beim Erwerb einer Liegenschaft hinsichtlich der Freiheit von Dienstbarkeiten ist nur möglich, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit den wahren vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt erkennen lassen. Gutgläubigkeit ist schon bei leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Ein Fall, der zum Verlust des guten Glaubens führen kann, ist die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit. Für den Begriff der offenkundigen Dienstbarkeit ist es wesentlich, ob man vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen kann, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen. In jüngerer Zeit hat die Rsp im Einzelfall auch die Offenkundigkeit von persönlichen Dienstbarkeiten wie Wohnungsdienstbarkeiten bejaht.
Die Wahrnehmbarkeit äußerer Anzeichen für das Bestehen einer allfälligen Dienstbarkeit und - damit zusammenhängend - die Frage nach einer allfälligen Erkundigungspflicht des Käufers einer Liegenschaft, dem deren Lastenfreiheit zugesichert wurde, können nur nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Die Frage, ob hier eine offenkundige Dienstbarkeit vorlag und ob der Erwerber hinsichtlich der Lastenfreiheit von Dienstbarkeiten gutgläubig war, wäre daher nur dann vom OGH zu beurteilen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
Eine solche auffallende Fehlbeurteilung liegt jedoch nicht vor, steht doch fest, dass im Zeitpunkt der Besichtigungen der Garage durch den Beklagten im Zuge dessen Erwerbs der Garage der Garagenplatz des Klägers an der Stirnseite mit einer Tafel, auf der die Nummer seines Kfz-Kennzeichens ersichtlich war, gekennzeichnet war, dass ein Autoreifen unterhalb der Tafel zum Schutz vor Beschädigungen beim Einparken platziert und parallel zur Bodenebene quer über den Stellplatz eine Kette befestigt war, wenn das Fahrzeug nicht am Stellplatz abgestellt war.
Die Revision des Beklagten zeigt keine (andere) erhebliche Rechtsfrage auf. Soweit er vorbringt, es habe sich um eine ältere Garage gehandelt und es habe eine Vielzahl von Mietern und Vornutzern und auch von Kennzeichnungen und Spuren in der Garage gegeben, entfernt sich die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt.