05.06.2013 Verfahrensrecht

VwGH: Hinterlegung gem § 17 ZustG (hier: Verständigung über die Hinterlegung im falschen Briefkasten)

Es ist Sache dessen, demgegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen lassen


Schlagworte: Zustellrecht, Hinterlegung im falschen Briefkasten, Gegenbeweis, Beweiswürdigung, Wiedereinsetzung
Gesetze:

§ 17 ZustG, § 292 Abs 2 ZPO, § 45 Abs 2 AVG, § 71 AVG, § 46 VwGG

GZ 2011/05/0193, 13.11.2012

 

Das Wiedereinsetzungsbegehren des Bf stützt sich auf die Behauptung, es liege in Ansehung des angefochtenen Bescheides ein Zustellmangel vor, weil die Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides in das Postfach des Nachbarn eingelegt worden sei.

 

VwGH: Ausgehend von einer Zustellung am Freitag, dem 30. September 2011 (Beginn der Abholfrist), endete die sechswöchige Beschwerdefrist am Freitag, dem 11. November 2011. Die am 30. November 2011 zur Post gegebene Beschwerde ist daher dann rechtzeitig, wenn eine rechtswirksame Zustellung (erst) am 19. Oktober 2011 oder später erfolgte.

 

Der VwGH hat den vom Bf namhaft gemachten Nachbarn, F, als Zeugen zum Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag vernommen (und hat sodann dem Bf wie auch der belangten Behörde die Niederschrift zwecks Wahrung der Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht). Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Zeugen und den weiteren (schlüssigen) Angaben im Wiedereinsetzungsantrag geht der VwGH davon aus, dass die Verständigung über die Hinterlegung des angefochtenen Bescheides vom Zusteller irrtümlich in den Briefkasten des Zeugen F eingelegt wurde und von diesem Zeugen (der beruflich viel auf Reisen ist) (erst) Anfang November 2011 (jedenfalls nicht vor dem 19. Oktober 2011) dem Bf übergeben wurde.

 

Gibt es über die Zustellung durch Hinterlegung einen Rückschein, stellt dieser Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde dar, die zunächst vollen Beweis darüber erbringt, dass der darin beurkundete Zustellvorgang vorschriftsgemäß erfolgt ist; ein Gegenbeweis iSd § 292 Abs 2 ZPO ist jedoch zulässig. So ist es Sache dessen, demgegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen lassen.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt muss die im Beschwerdefall erfolgte Hinterlegung als rechtsunwirksam angesehen werden, denn die in den falschen Briefkasten, nämlich einer anderen als auf dem Rückschein angegebenen Abgabestelle eingelegte Verständigung (§ 17 Abs 2 ZustG), entspricht nicht dem ZustG, weil auch im § 17 Abs 2 ZustG unter der "Abgabestelle" nur die auf der Sendung und dem Rückschein angeführte Abgabestelle gemeint ist. Die Zustellung ist in diesem Fall gem § 7 Abs 1 ZustG erst in dem Zeitpunkt als vollzogen anzusehen, in dem das Schriftstück tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt.

 

Gemäß dem Vorbringen des Bf, welches von der belangten Behörde auch nicht bestritten wurde, wurde ihm der angefochtene Bescheid am 16. November 2011 persönlich ausgehändigt. Demnach hat die Bf erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen, die Beschwerde ist somit rechtzeitig. Eine Versäumung der Beschwerdefrist liegt nicht vor, weshalb eine Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt.