OGH: Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „wegen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG“ innerhalb der einjährigen Frist des § 95 EheG – verfahrenseinleitender Schriftsatz?
Der innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang „in der Rechtssache wegen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG“ lässt ausreichend erkennen, dass die Antragstellerin bei jenem Gericht, das ihre Ehe rechtskräftig geschieden hatte und (unbestritten) für die Entscheidung in einem außerstreitigen Aufteilungsverfahren zuständig war, eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erreichen wollte
§§ 81 ff EheG, § 95 EheG, § 1497 ABGB, § 9 AußStrG
GZ 1 Ob 60/13z, 21.05.2013
OGH: Die einjährige Frist des § 95 EheG ist eine materiell rechtliche Fallfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt. Auf diese Präklusivfrist, deren Lauf mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die (hier relevante) Scheidung der Ehe beginnt, ist die allgemeine Verjährungsbestimmung des § 1497 ABGB analog anzuwenden.
Die Einbringung eines Antrags auf Verfahrenshilfe unterbricht nach der höchstgerichtlichen Rsp als verfahrenseinleitender Schriftsatz die Verjährung, wenn der Inhalt der Eingabe den Sachverhalt und das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lässt. Dass dies auch für die Präklusivfrist des § 95 EheG gilt, hat der OGH bereits mehrfach entschieden. In den Entscheidungen 9 Ob 143/99s und 1 Ob 45/05g wies er jeweils einen Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG 1854 zurück. Er erachtete die Ansicht der Vorinstanzen, dass ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (für das Aufteilungsverfahren) ohne weiteres Vorbringen nicht als verfahrenseinleitender Schriftsatz anzusehen sei, als keine zu korrigierende Fehlbeurteilung. In dem zu 8 Ob 12/01z entschiedenen Fall sah es der OGH als ausreichend deutliche Darstellung des Aufteilungsanspruchs im Verfahrenshilfeantrag an, wenn ein diesem angeschlossenes „Datenblatt“ erkennbar die der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile aufliste und den Wunsch nach deren Aufteilung zum Ausdruck bringe.
All diesen zitierten Entscheidungen wurde die Rechtslage nach dem AußStrG 1854 zugrunde gelegt. Nach § 9 Abs 1 AußStrG 2003, das hier unstrittig anzuwenden ist, muss ein Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, sondern nur hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Der Gesetzgeber wollte in sog Rechtsgestaltungs- oder Regelungsverfahren dem weniger formstrengen und oft rechtsfürsorgenden Charakter des Verfahrens außer Streitsachen Rechnung tragend unbestimmte Begehren zulassen und nannte dabei als einen von zwei Beispielen für derartige Verfahren die billige Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse.
In einem Verfahren nach den §§ 81 ff EheG können sich die Parteien daher darauf beschränken, im verfahrenseinleitenden Schriftsatz die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens durch das Außerstreitgericht zu beantragen, ohne ein detailliertes Begehren (Zuweisung bestimmter Gegenstände, Leistung einer bezifferten Ausgleichszahlung) stellen zu müssen. Die Parteien sind auch nicht verpflichtet, bereits im Aufteilungsantrag jene Gegenstände anzuführen, die dem Aufteilungsverfahren unterzogen werden sollen. Die Judikatur nimmt nämlich im Fall der fehlenden Beschränkung des Antrags an, dass die Aufteilung des gesamten ehelichen Gebrauchsvermögens und der gesamten ehelichen Ersparnisse beantragt wird. Nur wenn die Aufteilungsmasse im Antrag präzisiert wird, darf das Außerstreitgericht iSd stRsp des OGH keine Anordnung über die Zuweisung von anderen Vermögensgegenständen treffen, es muss aber dennoch bei der Entscheidung über die Aufteilung nach Billigkeit das gesamte nach den §§ 81 und 82 EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen erfassen und berücksichtigen. Nach der jüngeren, mittlerweile gefestigten Judikatur des OGH können die Parteien zudem nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG zwar nicht die Zuweisung weiterer, nicht rechtzeitig behaupteter Vermögensgegenstände verlangen, dennoch aber (weitere) Ausgleichszahlungen fordern.
Der in diesem Fall innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang „in der Rechtssache wegen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG“ lässt ausreichend erkennen, dass die Antragstellerin bei jenem Gericht, das ihre Ehe rechtskräftig geschieden hatte und (unbestritten) für die Entscheidung in einem außerstreitigen Aufteilungsverfahren zuständig war, eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse erreichen wollte. Die Tatsache der rechtskräftigen Scheidung war gerichtsbekannt, wie auch das Erstgericht in seinem Beschluss über die Bewilligung des Verfahrenshilfeantrags zum Ausdruck brachte. Das Begehren auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einleitung eines Aufteilungsverfahrens enthält implizit die Behauptung der Antragstellerin, dass überhaupt eine Aufteilungsmasse vorhanden sei. Ein weiteres Tatsachenvorbringen zur Darlegung ihres Aufteilungsanspruchs war demnach nicht notwendig, um die einjährige Frist des § 95 EheG zu wahren. Der am 7. 5. 2012 gestellte Verfahrenshilfeantrag unterbrach damit diese Jahresfrist.
Die Unterbrechungswirkung eines rechtzeitigen Aufteilungsantrags setzt die „gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens voraus. Der Verfahrenshelfer der Antragstellerin, der anstelle eines anderen, im August 2012 als Verfahrenshelfer beigestellten, Rechtsanwalts mit Bescheid der zuständigen Rechtsanwaltskammer vom 4. 10. 2012 bestellt worden war, brachte den Aufteilungsantrag am 19. 10. 2012 beim Erstgericht ein. Eine grundlose, zu lange andauernde Untätigkeit kann der Antragstellerin in diesem Fall keinesfalls vorgeworfen werden.
Da der Aufteilungsantrag der Antragstellerin aus diesen Erwägungen nicht verfristet ist, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die inhaltliche Behandlung des Antrags aufzutragen.