OGH: Kosten für Psychotherapie der Kinder nach Scheidung – als Sonderbedarf zu ersetzen?
Die Therapiekosten müssen vom Vater nur dann übernommen werden, wenn es nicht möglich war, innerhalb angemessener Frist einen Kassenplatz zu erhalten
§ 231 ABGB nF, § 140 ABGB aF
GZ 3 Ob 190/12f, 14.11.2012
Die Ehe der Eltern wurde 2001 geschieden. Nach einem langwierigen Obsorgeverfahren wurde 2007 die Mutter allein mit der Obsorge betraut.
Die beiden Kinder zeigten ab 2003 Verhaltensauffälligkeiten. Der im Obsorgeverfahren beigezogene Sachverständige riet zu einer Psychotherapie, die 2004 aufgenommen wurde. Die von der Mutter beauftragten Psychotherapeuten hatten allerdings vorerst keine „Kassenplätze“ frei. Erst im Oktober 2006 konnte für Michael eine Therapeutin gefunden werden, deren Kosten von der Gebietskrankenkasse refundiert wurden. Insgesamt fielen für die Therapie von Philipp in den Jahren 2005 – 2009 Kosten von mehr als 6.000 Euro und für die Therapie von Michael in den Jahren 2005 und 2006 Kosten von rund 2.500 Euro an.
OGH: Es bleibt den Kindern natürlich unbenommen, einen Therapeuten zu wählen, der keinen Kassenplatz anbieten kann. Die Therapiekosten müssen vom Vater aber nur dann übernommen werden, wenn es nicht möglich war, innerhalb angemessener Frist einen Kassenplatz zu erhalten. Für Philipp galt das aufgrund der Auskunft der Gebietskrankenkasse aber nur bis zum Jahr 2007. Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass ein Wechsel zu einem auf Krankenkassekosten arbeitenden Therapeuten nicht von einem Tag auf den anderen zweckmäßig ist und dass auch 2007 noch gewisse Wartezeiten in Kauf genommen werden mussten. Unter diesen Prämissen kann davon ausgegangen werden, dass ein Wechsel zu einem auf Krankenkassekosten arbeitenden Therapeuten etwa ab Mitte des Jahres 2007 möglich gewesen wäre, weshalb es angebracht ist, dass die halben Kosten für 2007 sowie die Kosten, die in den Jahren 2008 und 2009 angefallen sind, vom Vater nicht mehr aus dem Titel des Sonderbedarfs abzudecken sind.